Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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"Dann weiß ich aber nicht, ob ich bei euch bleiben kann. Ich habe nämlich auch<br />
nichts mehr."<br />
Dieser sehr realistische Gedanke erschreckte sie. Sie wollte nicht wieder auf die<br />
Straße zurück. Doch Lettice würde sicher nicht für sie sorgen können und wollen.<br />
"Ich will nicht, dass du gehst", schimpfte Edward. "Dann bekommt Mutter<br />
keinen Penny mehr von mir!"<br />
Ramis stand mit einem leisen Seufzen auf.<br />
"Ach ja, ich soll dir von Mutter ausrichten, dass sie nicht so bald kommen kann.<br />
Sie hat viel zu tun."<br />
Der Hohn in der Stimme des Kindes war so unüberhörbar, dass Ramis sich<br />
fragen musste, ob es seine Mutter nicht ausstehen konnte. Ramis wandte sich ab<br />
und setzte sich auf ihr Lager. Angespannt erwartete sie Lettice Rückkehr.<br />
Edward beobachtete sie eine Weile, begann irgendwann aber, sich in ein Spiel<br />
zwischen den Kisten zu vertiefen.<br />
Die junge Frau starrte derweil Löcher in die Luft. Es irritierte sie, dieses Kind<br />
um sich herum zu haben, das sie unwillkürlich in die Rolle des Erwachsenen<br />
drängte, eine Rolle, die sie nicht beherrschte. Vor kurzem war sie selbst noch die zu<br />
Versorgende gewesen. Tief in Gedanken versunken vergaß ihre Umwelt. Sie gab<br />
sich ihrer Trauer um das Vergangene hin, dem Verlust ihrer Freunde.<br />
So fand sie Lettice vor, als sie das Zimmer betrat. Zuerst wunderte diese sich,<br />
dass ihr Sohn so ruhig war und trotz Ramis Anwesenheit spielte. Sie wusste ja, wie<br />
er sich sonst aufführte, wenn er in Gesellschaft eines Menschen war. Und als sie<br />
Ramis betrachtete, lief ihr ein Schauder über den Rücken. Und wenn die Neue nun<br />
doch eine Verrückte war? Sie hatte das Mädchen damals nur sehr kurze Zeit<br />
gekannt und keiner von Maple House wusste etwas von ihr. Das einzige Mal, dass<br />
Lettice sich mit ihr beschäftigt hatte, war, als sie die Bibliothek putzen sollten. Sie<br />
war eifersüchtig geworden, dass Sir Edward Ramis so viel Aufmerksamkeit<br />
schenkte. Trotzdem hatte sie gerade Ramis die rosa Schlafmütze geschenkt, aus<br />
einem Impuls heraus. Das musste einen verborgenen Sinn haben, denn hatte nicht<br />
eben diese Mütze sie hierher geführt? Lettice musterte die merkwürdigen Augen<br />
der jungen Frau. Einerseits waren sie die einer alten Frau und gleichzeitig immer<br />
noch die eines kleinen Kindes. Irgendeine Tragödie musste ihr widerfahren sein.<br />
Ramis war bereits damals so zurückgezogen gewesen, dass man sie kaum<br />
bemerkte, aber jetzt schien sie eine Mauer aus Schweigen zu umgeben. Lettice<br />
wollte nun endlich wissen, was passiert war. Seit sie Ramis begegnet war, brannte<br />
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