Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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Existenz von Geistern glaubte, würde sie sie auch nicht mehr sehen! Aber sie wären<br />
trotzdem noch da.<br />
"Es ist einfach hoffnungslos!", schimpfte sie leise mit sich selbst.<br />
Ihre Stimme hallte schrecklich laut im Korridor, deshalb sagte sie danach nichts<br />
mehr. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür. Kurz dachte sie daran, dass es<br />
normalerweise eine Beschäftigung von Kindern war, in alten Häusern nach<br />
Geheimnissen zu suchen. Jedoch war es auch für Erwachsene ein Abenteuer. Und<br />
für sie? War es ein Abenteuer oder bitterer Ernst? Sie konnte oft zwischen Ernst<br />
und Spaß die Grenze nicht sehen. Jetzt schien es ihr allerdings nicht wie ein Spaß.<br />
Trotzdem wunderte sie sich über ihre verschwitzten Hände und ihr rasendes Herz.<br />
Ich rege mich über das kleinste Bisschen auf. Aufgeregt spähte sie ins Zimmer. Im<br />
ersten Augenblick glaubte sie, ihr Herz würde vor Schreck stehen bleiben. Das<br />
Zimmer war sauber und völlig intakt! Nirgends hingen Spinnweben oder hatte<br />
Staub sich der Möbel bemächtigt. Außerdem war das Zimmer erleuchtet. Jemand<br />
wohnte noch hier! Ramis Gedanken überschlugen sich. Sie musste schnell weg<br />
hier.<br />
"Halt, so warte doch, meine Gute!"<br />
Instinktiv fuhr sie herum, um den Sprecher anzusehen. Es war eine spröde<br />
Stimme, vom Alter brüchig. In dem großen Himmelbett, das an der Wandseite<br />
gegenüber stand, lag eine alte Frau. Dicke Kissen stützten sie, so dass sie fast saß.<br />
Sie trug ein blütenweißes Kleid, das sich kaum von ihrer ebenso blassen Haut<br />
abhob. Ramis starrte sie an. Das graue Haar der Frau war mit einem vor Diamanten<br />
glitzernden Haarnetz zu einem Knoten gebunden. Obwohl die Greisin uralt aussah,<br />
hatte sie kaum Runzeln. Nur um den Mund hatten sich tiefe Kummerfalten<br />
eingegraben.<br />
"Tritt zu mir. Ich habe gewusst, dass du noch kommen würdest."<br />
Zögernd trat Ramis näher. Eine unsichtbare Macht hinderte sie am Weglaufen.<br />
Ihr fiel auf, dass das ganze Zimmer voll mit Schwanenemblemen war. Überall, auf<br />
den Schränken und dem Bett, auf den Wandbehängen und den Teppichen, waren<br />
Schwäne, in Gold und Silber, weiß und schwarz. Majestätisch wölbten sie ihre<br />
Hälse, schwammen oder flogen mit weitausgebreiteten Schwingen. Ramis wurde<br />
mulmig zumute. Nur Besessene waren fähig, ihr Zimmer so zu gestalten. Ein<br />
riesiges Ölgemälde nahm eine ganze Wandseite ein. Ein grässliches Bild, urteilte<br />
Ramis entsetzt. Niemand würde so etwas im Schlafzimmer haben wollen. Auf dem<br />
Bild waren viele Schwäne zu sehen, doch sie waren alle tot. Sie trieben auf einem<br />
großen Gewässer, ihre Füße streckten sich in den Himmel. Ein einziger Schwan<br />
lebte noch. Er war schwarz und schien auch gerade zu sterben, denn er fiel soeben<br />
zur Seite und sein Kopf lag schon fast auf dem Wasser. Es war nicht zu erkennen,<br />
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