Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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Gesicht mit struppigem Bart, zu dem der schmutzige Körper gehörte, gegen den sie<br />
gelaufen war.<br />
"Na, wen hab'n wir denn da?", spottete er. "Du kommst gerade recht. Und so<br />
schön sauber! Was hast du denn da für uns in deiner Hand?" Er lachte dröhnend<br />
und spähte auf die in schönem Papier eingepackte Botschaft, die sie fest in ihrer<br />
verschwitzten Hand hielt.<br />
"Das ist doch sicher ein Geschenk für den guten alten Tom, oder?"<br />
Allein war er auch nicht, zwei weitere, ebenso heruntergekommene Rüpel<br />
standen hinter ihm. Der Mann von vorher packte das Mädchen am Arm mit seiner<br />
haarigen Hand. Aber er war nicht auf die Kraft gefasst, die Ramis entwickelte, als<br />
sie sich mit einem Ruck losriss. Sie rutschte fast in der Pfütze aus, doch sie konnte<br />
sich gerade noch fangen und rannte wie selten in ihrem Leben. Am Anfang hörte<br />
sie noch das Trappeln von Füßen und Rufe hinter sich. Auch als sie nichts mehr<br />
vernahm, wurde sie nicht langsamer. Dass die Straßen wieder belebter wurden,<br />
nahm sie kaum wahr. Erst als ihre Lungen brannten und sie vor Seitenstechen nicht<br />
mehr weiterkam, verlangsamte sie ihren Lauf. Vor ihren Augen tanzten Lichtflecke<br />
und sie schnappte nach Luft. Mühsam holte sie Atem und blickte um sich. Die<br />
Gegend kam ihr sehr bekannt vor. Irgendwie war sie zurückgekommen. Noch ein<br />
paar hundert Meter und sie erreichte das Portal von Maple House. Erst in diesem<br />
Augenblick fiel ihr auf, dass ihre Finger, die bisher fest die Botschaft umklammert<br />
hatten, geöffnet und leer waren. Sie hatte das Schreiben verloren...<br />
Es gelang ihr nicht, das laute Keuchen zu unterdrücken, während sie den Weg zu<br />
ihrem Zimmer zurücklegte. Draußen war es bereits tiefste Nacht. Und leider war ihr<br />
Fehlen nicht unbemerkt geblieben. Francis erwartete sie schon mit unheilvoller<br />
Miene. Das kalte Glitzern in seinen Augen machte ihr Angst.<br />
"Wo warst du?", bellte er wütend. "Ich sagte, du sollst dich beeilen. Weißt du<br />
nicht, was wir hier mit den Ungehorsamen machen?"<br />
Ramis wusste es und das wusste er natürlich auch. Oft genug war sie seinen<br />
Schikanen ausgesetzt, weil er sie für etwas bestrafte, was sie nicht getan hatte. Sie<br />
konnte ihm gar nichts recht machen, immer war sie unverschämt oder überhörte<br />
seine Befehle. Dann musste sie zur Strafe zusätzliche, besonders scheußliche<br />
Arbeiten verrichten oder wurde in eine dunkle Kammer gesperrt. Davor hatte sie<br />
besonders Angst, denn sie fürchtete die Dunkelheit über alles. Und weil er auch das<br />
wusste, machte es Francis noch mehr Spaß.<br />
"Außerdem, wie siehst du überhaupt aus? In diesem Haus hast du ordentlich zu<br />
erscheinen!"<br />
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