Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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und die Passanten sahen wohlhabender aus. Auf den weitaus breiteren Straßen<br />
fuhren elegante Kutschen, von gestriegelten und gut genährten Pferden gezogen.<br />
Die Fenstervorhänge waren meist zugezogen, aber ab und zu lugte ein blasses<br />
Gesicht mit kunstvoller Perücke dazwischen heraus.<br />
Einmal blieb der Mann stehen, um mit einem Bekannten zu plaudern. Ihr Käufer<br />
hatte unterwegs seinen Mantel abgenommen und ein recht knochiges Gesicht mit<br />
schmalen Lippen kam zum Vorschein. Er war ein hagerer Mann mittleren Alters<br />
mit gepflegten, braunen Haaren, der nur Verachtung für das kleine Geschöpf<br />
empfand, das man ihm aufgetragen hatte zu bringen. Die Schuld, dass er so weit<br />
hatte laufen müssen und nass geworden war, gab er dem Kind auch. Aber trotz<br />
seiner Rücksichtslosigkeit hatte Semiramis sich nie beklagt oder sich widersetzt.<br />
Das verärgerte den Mann nur noch mehr, so dass er sie heftiger als geplant<br />
vorwärts stieß und das Mädchen vornüber auf die schmutzige Straße stürzte. Wie<br />
eine Puppe blieb es dort einfach liegen bis er es gereizt wieder hochzog. Das<br />
Gesicht von Semiramis war mit Dreck beschmiert und einige der alten<br />
Schürfwunden waren erneut aufgesprungen. Unbehaglich dachte der Mann daran,<br />
was sein Herr sagen würde, wenn das Mädchen so räudig aussah, als hätte er es von<br />
der Straße aufgesammelt. Aber immerhin kannte er nur den einen Menschenmarkt<br />
und dort hatte es nur ein Mädchen gegeben. Es gefiel ihm auch gar nicht, dass in<br />
den blauen Augen nicht die geringste Regung ablesen konnte, trotz der Schmerzen<br />
der aufgerissenen Knie und Hände. Wütend verpasste er ihr einen Schlag gegen den<br />
Kopf.<br />
"Nun tu doch endlich etwas, du dummes Gör!", brüllte er sie an.<br />
Doch auch das rief keine Reaktion hervor. Er konnte sich gerade noch<br />
beherrschen, nicht noch einmal zuzuschlagen. Schließlich stampfte er fluchend<br />
weiter.<br />
Nach vielleicht einer halben Stunde erreichten sie ein großes, elegantes<br />
Stadthaus, das in einem der besten Viertel der Stadt lag. Es war ein altehrwürdiges<br />
Gebäude mit zahllosen Fenstern und einer großen Auffahrt mit Portal. Umgeben<br />
war es von einem herrlichen, gepflegten Garten, der durch eine Mauer von der<br />
Straße abgegrenzt wurde. Wäre Semiramis nicht so apathisch gewesen, hätte sie<br />
den Anblick wohl beeindruckend gefunden. Das Haus glich einem kleinen Palast<br />
mit seinen barocken Balustraden und hohen Säulen.<br />
"So ein unnützes Gör gehört gar nicht in dieses Haus", knurrte der Mann. "Nur<br />
weil der Herr..."<br />
Er redete nicht weiter, weil das Tor geöffnet wurde. Sie gingen an einem<br />
Torwärter vorbei, der eine ähnliche Uniform wie der Mann trug, der sie hierher<br />
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