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Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix

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ierkauft<br />

England, in der Nähe von London, 1690<br />

Durch die Wolken des Schmerzes drang das Rumpeln und Schütteln des Karrens.<br />

Jedes Holpern verstärkte das Leid des kleinen Mädchens, das bis jetzt wie tot<br />

dagelegen hatte. Seine schlichten Kleider waren schmutzig und zerrissen und es<br />

hatte Kratzer und Schürfwunden am ganzen Körper. Das blonde Haar war struppig<br />

und strähnig, es hing ihm wirr um den Kopf. Das Kind mochte ungefähr acht Jahre<br />

alt sein. An seinem Hals hing ein Amulett. Als es nun die Augen aufschlug, war da<br />

nur der Schmerz ... sonst nichts. Keine Erinnerungen. Der wolkenverhangene,<br />

graue Himmel über ihm hatte keine Bedeutung mehr. Er war so bedeutungslos wie<br />

alles um das Mädchen herum, die Bäume, die Wiesen oder die reifen Felder, der<br />

Heukarren, auf dem es lag und der verwahrloste Mann vor ihr, sie waren nicht<br />

wichtig. Die Leere in ihm ließ keinen Platz für andere Dinge, nur der körperliche<br />

Schmerz schaffte es, sie zu durchdringen.<br />

Der Kutscher sah sich nicht um, er wusste nicht, ob die Kleine noch lebte oder<br />

nicht, aber es war ihm eigentlich auch egal. Er war schließlich nicht verantwortlich<br />

für sie. Immerhin war es schon großzügig genug gewesen, sie mitzunehmen.<br />

Wirklich ein langer, anstrengender Tag heute, überlegte er. Die Aussicht auf ein<br />

Bett und Gesellschaft freute ihn. Er hatte morgen einen weiteren Tag der Reise vor<br />

sich. Wenn er Glück hatte, waren die Heupreise wie erhofft angestiegen und er<br />

bekam ausreichend Geld. Danach würde er sich auf den Rückweg zu seiner<br />

nörglerischen Frau und den quengeligen Kindern machen müssen. Erst als er ein<br />

schmuddeliges Gasthaus erreichte, dessen verfallenes Äußeres die eingetretene<br />

Nacht gnädig verhüllte, sah er sich um. Und plötzlich schauderte ihn. Das Kind<br />

hatte sich aufgesetzt und starrte nun vor sich hin. Was ihn so beunruhigte, war der<br />

gleichgültige Ausdruck auf dessen Gesicht und insbesondere die Augen, denn sie<br />

waren so hellblau wie ein wolkenloser Himmel und ebenso leer. Sie erinnerten ihn<br />

an sein jüngstes Kind, das eines Morgens einfach leblos auf seinem Strohlager<br />

gelegen hatte und nie mehr aufgestanden war. Der erstarrte Ausdruck war der<br />

gleiche gewesen.<br />

"Wir werden heute dort übernachten", sagte er, als er den Karren in den<br />

Stallschuppen gebracht hatte. "Zumindest werde ich das tun."<br />

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