Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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Ramis schlurfte also müde hinter Lettice her, die munter drauf losschwatzte.<br />
Dem Mädchen kam in den Sinn, dass Martha zu ihr gesagt hatte, Lettice sei ein<br />
leichtlebiges und flatterhaftes Ding,<br />
Auf die Frage, was das eigentlich bedeute, meinte Martha nur:<br />
"Sie gibt sich mehr mit Männern ab, als gut für sie wäre."<br />
Das verwirrte Ramis, aber sie fragte nicht weiter, da es anscheinend wieder so<br />
ein Tabuthema war. Sie hatte schon oft von Martha gehört, dass Männer irgendwie<br />
gefährlich seien und sie am besten nicht in deren Nähe kam. Deshalb mied sie<br />
jeglichen Kontakt mit den männlichen Bewohnern des Hauses. Das war allerdings<br />
auch nicht besonders schwer, denn außer zum Arbeiten sprach man sie für<br />
gewöhnlich nicht an.<br />
Plötzlich sagte Lettice: "Ramis, ich muss kurz die Haube in mein Zimmer<br />
bringen. Geh doch schon mal vor in die Bibliothek und warte da auf mich!"<br />
Ehe Ramis etwas entgegnen konnte, war Lettice schon weg. Ihr blieb nichts<br />
anderes übrig, als allein weiterzugehen. Es bereitete ihr Unbehagen, durch die<br />
stillen, düsteren Gänge zu wandern, noch dazu in einem Teil von Maple House, den<br />
sie weniger kannte. Das Haus war riesig, in vielen Zimmern, die ungenutzt waren<br />
und nicht einmal während solcher Großputzaktionen gesäubert wurden, lag uralter<br />
Staub dick auf den Möbeln. Ramis hörte kein einziges Geräusch außer ihren<br />
eigenen Schritten. Hier kam kaum jemals einer her. Beklommen schlich sie weiter.<br />
Während sie möglichst leise den Weg zur Bibliothek suchte, überlegte sie, dass es<br />
noch viel gab, was sie nicht verstand. Da waren zum Beispiel die zotigen Scherze<br />
und gemurmelten Andeutungen, deren übertragener Sinn sich ihr entzog. Niemand<br />
wollte es ihr erklären und wenn sie fragte, wandten sich die Leute verlegen ab oder<br />
lachten über sie.<br />
Auch Martha wehrte nur ab: "Halte dich einfach von den Männern fern, mehr<br />
musst du nicht wissen."<br />
Martha hatte große Angst um das Mädchen und hoffte so, die Verderbtheit in der<br />
Welt von ihr fernzuhalten.<br />
Ramis dachte, wie merkwürdig diese Leute doch waren. Sie waren so anders als<br />
sie selbst. Nun stand sie vor der dicken, kleinen Türe aus teurem Ebenholz, die zur<br />
Bibliothek führte. Zögernd betrat sie das Zimmer. In der Luft lag ein Geruch, den<br />
Ramis sofort erkannte. Es roch nach Staub und altem, vergilbtem Papier. Leise<br />
stöberte sie herum. Sie wagte die feierliche Stille kaum zu durchbrechen. Hier,<br />
zwischen den hohen, mit Büchern vollgestopften Regalen schien die Zeit<br />
stillzustehen. Es war leicht dämmrig und das Mädchen fragte sich, wie lange schon<br />
keine frische Luft in diesen Raum hineingelangt war. Neugierig trat sie vor eines<br />
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