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Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix

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Namen. Der Zustand dieser armen Seelen hatte Ramis in tiefe Verwirrung gestürzt<br />

und ihr Innerstes erschüttert. Niemals durfte sie so werden.<br />

Ihr war unmöglich, jetzt noch zu schlafen. Deshalb stand sie auf. Edward<br />

schlummerte tief und fest. Ramis strich ihm vorsichtig über das entspannte<br />

Kindergesicht. Dann ging sie hinaus. Im Garten war es stockdunkel, das Mondlicht<br />

kam nicht durch die Bäume hindurch. Sie blickte zum Haus hinüber. Es war von<br />

silbernem Licht überflutet. So wunderschön! stellte Ramis fest. Dieses Licht musste<br />

überirdisch sein. Langsam schritt sie auf das Haus zu. Es schien sie zu rufen und<br />

willkommen zu heißen. Das Gras um ihre Füße war feucht und durchweichte ihre<br />

Schuhe. Die Wiese war hoch, sie ging ihr fast bis zur Hüfte. Auch ihr Rock wurde<br />

schwer vor Nässe. Die Tropfen glitzerten im matten Licht. Aus der Nähe erschien<br />

das Haus ihr noch gespenstischer und verlassener. Eine morsche Hundehütte stand<br />

bei der Tür in den Garten. Darin war sicher seit Jahrzehnten kein Hund mehr<br />

gewesen und das war ein trauriges Zeugnis von dem einst munteren Leben hier. In<br />

der Nacht war jedoch alles verzaubert. Sie verdeckte den Verfall und gab dem Haus<br />

ihr eigenes Gesicht. Es war unvorstellbar, wie eine steinalte Frau hier zwischen den<br />

Schatten der Vergangenheit leben sollte, ganz ohne jedes Anzeichen von Leben.<br />

Die Wäsche war nun fort. Ob es nur Obdachlose gewesen waren? Vielleicht hatten<br />

sie gewusst, dass niemand hier lebte. Die Verandatür war nicht abgeschlossen.<br />

Drinnen war es noch stiller, in diesen Zimmern schien die Zeit stillzustehen.<br />

Spinnweben zogen sich durch alle Ecken. Der Regen, der durch die zerbrochenen<br />

Scheiben hereingeweht worden war, hatte die eleganten und antiken Möbel zerstört.<br />

Zerrissene Brokatvorhänge hingen wie tot herunter. Die alte Dame musste wohl<br />

inzwischen gestorben sein. Komisch, dass niemand die Möbel gestohlen hatte.<br />

Bevor sie vom Wetter so zerstört worden waren, mussten sie wunderschön gewesen<br />

sein. Die Dame hatte ihren Besitz anscheinend niemandem weiter vererbt. Aber war<br />

Edward etwa noch nie im Haus gewesen, um nach Schmuck und Geld zu suchen?<br />

Die Tür musste die ganze Zeit offen gestanden haben. Sie fürchtete, die<br />

Obdachlosen hier noch anzutreffen, aber es sah nicht aus, als hätte jemand hier<br />

genächtigt. Die Staubschicht auf dem Boden wirkte unberührt. Eine Treppe aus<br />

weißem Marmor führte nach oben. Es war recht hell im Haus, da fast alles weiß<br />

oder in hellen Farben gehalten war und das Mondlicht reflektierte. Ramis kam sich<br />

wie ein Einbrecher vor, als sie die Treppe emporstieg. Doch sie konnte einfach<br />

nicht anders.<br />

Das obere Stockwerk bestand aus einem langen Flur mit vielen Türen. Ein paar<br />

davon standen weit offen, aber sie waren leer. Nur in einem hing ein großes<br />

Gemälde. Auch es war von der Feuchtigkeit leicht beschädigt. Sicher wäre es ganz<br />

kaputt gewesen, wären nicht gerade diese Fensterscheiben noch intakt gewesen. Sie<br />

waren so schmutzig, dass man nicht mehr hindurchsehen konnte. Ramis betrachtete<br />

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