Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Lettice sprach weiter, obwohl es ihr Qualen bereiten musste.<br />
"Wir anderen hielten dich für wahnsinnig... eine weitere leblose Kreatur von der<br />
Straße... Deine Augen schienen Schreckliches gesehen zu haben... alles an dir war<br />
eine Anklage an die ganze Menschheit... Du hattest einen so leidenden Blick.<br />
Damals kümmerte mich das alles nicht... ich war leichtlebig und dumm... es hat mir<br />
das Leben gekostet... Jetzt hat sich so viel geändert und ich sehe dich, wie du<br />
wirklich bist. Früher haben wir über Martha, das graue Mäuschen und dich<br />
gespottet..."<br />
Ramis liefen die Tränen über die Wangen. Lettice Worte verletzten sie fast mehr,<br />
als es Anschuldigungen getan hätten, die um so vieles berechtigter gewesen wären.<br />
"Versprich mir zum Schluss eines...Versprich, dass du dich um Edward<br />
kümmerst... bring ihn aus der Dunkelheit ins Licht... Zeig ihm die Welt, die du trotz<br />
allem nie ganz aus den Augen verloren hast... Er braucht eine Mutter, wenn ich<br />
nicht mehr bin... für ihn wird es keinen Unterschied machen, wenn ich tot bin..."<br />
"Du stirbst doch nicht!"<br />
"Versprich es!", verlangte Lettice.<br />
"Ich verspreche es..."<br />
"Gut...", seufzte Lettice. "Man spürt es, wenn das Leben schwindet... und auch<br />
du weißt es... Ich habe zu viel Blut verloren und zu viele Verletzungen..."<br />
Ramis strich ihr sanft über die Stirn. Sie war fieberheiß. Dennoch wollte Ramis<br />
es nicht einsehen. Lettice musste noch eine Chance haben. Die Verletzte schlief von<br />
einem Augenblick auf den anderen ein. Ramis lauschte den unregelmäßigen<br />
Atemzügen. Das Gewitter hatte sich inzwischen gelegt und ließ sie in der<br />
Dunkelheit zurück. Plötzlich überfiel Ramis eine übermächtige Müdigkeit, von der<br />
Stille in den Schlaf geschaukelt. Auch sie konnte sich nicht dagegen wehren. Der<br />
Übergang von Schlaf zu Wachen war so fließend, dass sie ihn gar nicht wahrnahm.<br />
Irgendwann in der Nacht war sie jedoch wach. In einem Anfall von Angst, Lettice<br />
könnte in der Zwischenzeit gestorben sein, tastete sie nach ihr. Ein leichtes<br />
Pulsieren in Lettice Adern war noch da, doch sie war schrecklich kalt.<br />
"So müde...", murmelte Lettice.<br />
Ramis versuchte, sie zu wärmen. Sie zog ihr Hemd aus, um es Lettice<br />
umzuwickeln.<br />
"Wir hätten Freundinnen sein sollen...", flüsterte Ramis, während sie den<br />
klammen Körper verzweifelt an sich drückte.<br />
179