Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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gewesen, dachte Ramis schockiert. Alles, was sich im Zimmer abgespielt hatte, war<br />
wirklich geschehen. Oder?<br />
"Tante Ramis?"<br />
Ramis fuhr heftig auf. Aber es war nur Edward.<br />
"Müssen mich denn immer alle so erschrecken?", klagte sie. "Immer, wenn ich<br />
nachdenke, schleicht sich jemand an mich heran."<br />
"Ich bin doch nicht geschlichen! Was hast du, Tante?"<br />
"Ach, ich war nur in Gedanken versunken."<br />
Mit dem Gespür, das Kinder manchmal haben, bemerkte er, dass sie log.<br />
"Du bist so blass", bohrte er weiter. "Mir ist nur ein bisschen schlecht geworden,<br />
das ist alles."<br />
Der Junge musterte sie skeptisch. Er glaubte ihr nicht. Seine Aufmerksamkeit<br />
richtete sich auf ihre Hand, als das Mondlicht sich daran reflektierte und einen Blitz<br />
aussandte. Er hatte den Ring entdeckt.<br />
"Tante!", rief er verzückt aus. "Ist das ein echter Stein? Woher hast du ihn?"<br />
Ramis warf automatisch einen Blick auf den Ring, der sie so völlig gegen ihren<br />
Willen in den Bann zog.<br />
"Ja, er ist echt", seufzte sie. "Und ich habe ihn gefunden. Im Haus."<br />
"Da drüben? Toll, dann schauen wir doch, ob wir noch mehr finden! Das wollte<br />
ich schon lange!"<br />
"Nein!", wehrte sie heftig ab. "Das geht nicht! Komm, gehen wir lieber!"<br />
"Aber warum denn nicht?" Edward war enttäuscht. "Du bist langweilig."<br />
Das Haus hatte sein Interesse geweckt.<br />
"Das Haus ist mir unheimlich", erwiderte Ramis. "Dort drinnen geht etwas vor<br />
sich, das ich nicht verstehe. Der Tod wohnt jetzt da, denn darin ist jemand<br />
gestorben."<br />
Sie dachte an die alte Dame, deren Leben eine solche Tragödie gewesen sein<br />
musste. Sie hatte ihr dasselbe prophezeit. Ein Teil davon hatte sich schon<br />
bewahrheitet, denn Ramis hatte so viel Unheil erlebt, dass es reichte, ihr ganzes<br />
Leben in seinem Schatten zu verbringen. Was sollte denn noch kommen? Aber um<br />
nichts in der Welt würde sie ein zweites Mal ins Haus gehen. Die Tote umgab ein<br />
schreckliches Geheimnis, zu weit in der Vergangenheit verwurzelt, um es zu<br />
verstehen. Es hatte sie dazu gebracht, ganz allein in einem verfallenen Haus zu<br />
leben, nur in Gesellschaft einer ebenso alten Dienerin, die längst tot oder nur noch<br />
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