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Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix

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Botengänge bei jedem Wetter mehr machen, aber Ramis war trotzdem jeden Abend<br />

sehr müde.<br />

Im selben Jahr - 1699 - geschah wieder etwas, was Ramis sehr verstörte. Sie half<br />

gerade in der Küche aus, denn es regnete in Strömen und deshalb fand kein Markt<br />

statt. An jenem Tag hatte man einen ganzen Ochsen aus dem Schlachthaus gebracht<br />

und jetzt waren alle damit beschäftigt, das Fleisch weiterzuverarbeiten. Ramis stieß<br />

diese Arbeit ab. Als ob sie nicht schon genug Blut gesehen hatte... Aber als die<br />

Dienstmagd, die sie sein musste, durfte man keine Schmutzarbeit scheuen. Eine<br />

solche durfte sich einfach nicht ekeln. Ramis hatte die Aufgabe bekommen, die<br />

Schlachtabfälle nach draußen zu tragen. Achtlos hängte sie sich das schmierige<br />

Messer, mit dem sie kurz zuvor das Fleisch geschnitten hatte, an den Gürtel ihrer<br />

Schürze. Der Schlachter schaufelte ihr die Knochen und Innereien in einen<br />

Holzkübel. Im Hinterhof würden schon die halbwilden Hunde auf sie warten und<br />

sich über den Leckerbissen freuen. Es beglückte auch Ramis zu sehen, wie sie sich<br />

heißhungrig darauf stürzten. Die mageren Leiber der Hunde schmerzten sie immer,<br />

denn sie wusste nur zu gut, wie es war, zu hungern.<br />

Im Erdgeschoss waren die 'Gaststube' und einige kleine Lagerräume und<br />

Abstellkammern, sowie die Küche. Die Vorräte wurden größtenteils im Keller<br />

gelagert, weil es dort auch im Sommer kühl blieb. Ramis hob den Kübel hoch und<br />

legte sich noch eine Kette überflüssigen Knoblauchs um den Hals, die nach unten<br />

gebracht werden musste. Sie räumte zuerst den Knoblauch auf und hängte ihn an<br />

der Decke der Vorratskammer auf.<br />

Als Ramis sich anschließend auf den Rückweg machte, stutzte sie auf halbem<br />

Weg. Aus einem der Räume kamen Geräusche, da war sie sich vollkommen sicher.<br />

Ob das wieder die Ratten waren? Aber selbst Ratten machten nicht so einen Lärm,<br />

dass man sie noch auf dem Gang hörte. Sie konnte sich jedoch nicht vorstellen, wer<br />

dort etwas zu schaffen haben sollte, denn in diesem Raum wurde nur das Brennholz<br />

für den Winter aufbewahrt. Vielleicht stahl ja wieder einer der Angestellten ein<br />

paar Scheite, um es sich gemütlicher zu machen? Madame würde einen Wutanfall<br />

bekommen, wenn sie merkte, dass jemand Holz entwendet hatte. Sie hatte das unter<br />

Androhung fürchterlicher Strafen strengstens verboten. Holz war teuer. Da Ramis<br />

im Grunde genommen neugierig war, beschloss sie, nachzusehen. Am Ende würde<br />

man noch sie selbst des Diebstahls bezichtigen, wie sie es in Maple House gern<br />

getan hatten. So war es besser, zu wissen, wer es gewesen war. Lautlos öffnete sie<br />

die Tür. Holzfasern bohrten sich in ihre Hand, als sie hineinspähte. In diesem<br />

Augenblick vernahm sie eine Kinderstimme von drinnen. Sie klang eigenartig<br />

schrill. Edward, schoss es ihr eisig durch den Kopf. Eine andere, tiefere erklang,<br />

ähnlich einem Knurren.<br />

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