Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Sorgen die Augen schließen und in einen erholsamen Schlaf sinken konnte. Das<br />
Leben schien ein seltsamer Mechanismus; kaum hatte man eine Schwierigkeit<br />
überwunden, stand man vor der Nächsten. Sie hatte keine Ahnung, wie jemand<br />
dabei Hoffnung empfinden sollte. Und trotzdem taten es die Menschen, immer und<br />
immer wieder, mochte es auch noch so sinnlos sein. Ramis zog sich die miefige<br />
Decke über den Kopf, um das Getrappel der Rattenfüße nicht mehr zu hören. Es<br />
war ein ständiges Scharren und Quieken, das sich kaum aushalten ließ, wenn man<br />
nicht daran gewöhnt war. Ramis hatte keine besondere Furcht vor diesen kleinen<br />
Nagern, trotzdem beunruhigte es sie, die Ratten um sich zu haben. Sie fürchtete<br />
ständig, im Schlaf gebissen zu werden. Deshalb träumte sie in dieser Nacht etwas<br />
über Ratten, ein wirrer unzusammenhängender Traum, in dem überall auf ihr<br />
Ratten waren und sie zwickten. Einmal schreckte sie auf und wünschte sich, eine<br />
Kerze anzünden zu können, um zu sehen, ob auf ihrem Bett wirklich Ratten waren,<br />
wie sie noch halb im Schlaf dachte.<br />
Im Morgengrauen weckte Edward sie, als er geräuschvoll die Nase hochzog und<br />
irgendetwas herunterwarf. Ramis wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen, was ihre<br />
Laune schon am Morgen auf einen Tiefpunkt stürzte. Jeder einzelne Knochen<br />
schmerzte von dem harten Boden und sie fror bitterlich vor Müdigkeit. Deshalb<br />
war sie heilfroh, als Edward schon bald aus dem Zimmer schlurfte und sie allein<br />
ließ. Jetzt hatte sie wirklich keine Geduld mehr übrig. Lettice tauchte mal wieder<br />
den ganzen Morgen nicht auf, dabei wollte Ramis eigentlich schon am Morgen<br />
anfangen, damit sie bis zum Abend ein paar Münzen vorweisen konnte. Sie hatte ja<br />
noch nicht einmal Papier. Zorn breitete sich in ihr aus wie ein Wasserbeutel, in den<br />
Wasser gegossen wird, bis sie glaubte, bersten zu müssen. Ungeduldig schleuderte<br />
sie die armseligen Decken, die ihr Bett darstellten, in die Ecke. Sie wollte schreien<br />
und trampeln, aus keinem andern Grund, als dass immer alles schief gehen musste.<br />
Nichts geschah zu ihrer Zufriedenheit. Aber wenn sie Lärm machte, würde man sie<br />
entdecken. Allerdings wäre Lettice selbst schuld, wenn sie auch nicht kam. Als<br />
diese endlich um die Mittagszeit verschlafen zur Tür herein tappte, hätte Ramis sie<br />
am liebsten für ihre Gleichgültigkeit erwürgt.<br />
"Bist du fertig?"<br />
Ramis schnappte nach Luft.<br />
"Ja und zwar schon seit frühstem Morgen, als mich dein Sohn geweckt hat!",<br />
platzte sie heftig heraus. "Ich stehe mir schon seit Stunden die Beine in den Bauch!<br />
Weißt du, wie das ist, eingesperrt zu sein und nicht zu wissen, wie es weitergeht?"<br />
Sie verschränkte die zitternden Finger ineinander.<br />
Verärgerung wallte in Lettice Miene auf.<br />
122