Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix
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Yeuertod<br />
Auf diese Weise vergingen weitere Jahre und sie lebte nun drei Jahre in Bristol.<br />
Das alte Jahrhundert war zu Ende gegangen und auch die Welt um Ramis herum<br />
war im Begriff, sich zu verändern. Ein neues Denken machte sich ganz langsam in<br />
den Köpfen der Menschen breit. Es war das Jahr 1701 und die voraussehenden<br />
Leute ahnten, dass in diesem Jahrhundert viel Neues geschehen musste. Es lag<br />
wieder Krieg in der Luft, erneut wurde der Unmut Frankreich gegenüber stärker.<br />
Im September sollte James II sterben, doch das berührte die Politik nur noch am<br />
Rande.<br />
Mitte Juli wurde die Hitze geradezu drückend. Die Straßen stanken nach dem<br />
Schmutz im Rinnstein, den nur tagelanger Regen würde fortspülen können. Wegen<br />
der langen Tage konnte Ramis noch länger vom Goldenen Drachen fortbleiben.<br />
Das tat sie auch und saß lieber bei Liam im spärlichen Schatten seines Standes als<br />
in ihrer stickigen Dachkammer, die ihr vorkam wie ein Gefängnis. Sie verließ sie<br />
nur, um aus dem Haus zu kommen. Vielleicht lag das zum einen auch an der<br />
Fremdheit, mit der ihr die anderen Frauen immer noch begegneten. Zum anderen<br />
fürchtete sie, dass ihr ein männliches Wesen über den Weg laufen könnte. Als sie<br />
sich eines Abends von Liam verabschiedete, dunkelte es bereits, eine Zeit, die<br />
Ramis normalerweise vermied. Es hatte sie jedoch noch ein Kunde aufgehalten, der<br />
einen Brief an einen hochrangigen Adligen schreiben musste und dafür Ramis Hilfe<br />
beanspruchte. Ramis suchte ihre Kenntnisse über Höflichkeitsfloskeln zusammen,<br />
die sie nie nötig gehabt hatte. Sie wollte ihn fragen, weshalb er mit seinem Problem<br />
zu ihr kam, zu ihr, von der man in zweifacher Hinsicht keine hohe Bildung<br />
erwartete. Schließlich gehörte sie der unteren Schicht an und war zudem noch eine<br />
Frau. Doch sie konnte es sich nicht leisten, einen Kunden zu verlieren und so biss<br />
sie sich durch den Text.<br />
Nachdem sie den Kunden bedient hatte, rief sie wie gewöhnlich Liam einen<br />
Gruß zu, der nun auch sein Zeug zusammenpackte und machte sich auf den<br />
Heimweg. Sie beeilte sich gehörig, denn es wurde zusehends dunkler und die<br />
Straßen unsicherer. Seltsamerweise war heute alles wie ausgestorben. So sehr sie<br />
auch überlegte, es fiel ihr kein Ereignis ein, das diesen Tag zu einem besonderen<br />
gemacht hätte. Außerdem hätte sie es gehört, wenn es in der Stadt eine Feier geben<br />
würde. Je näher sie der Straße kam, in der das Bordell lag, desto mehr stach ihr ein<br />
beißender Geruch in der Nase. Rauch, ergründeten ihre Geschmacksnerven. Aber<br />
woher? Niemand heizte mitten im Sommer und vor allem bei dieser Hitze sein<br />
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