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Elin Hirvi Dunkle Häfen - BookRix

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ichtigen Kämpfen führte. Es gab ein hierarchisches System unter den Kriminellen<br />

und Edward wollte dort nicht hineingehören. Er wollte seine Beute nicht anderen<br />

abgeben. Deshalb lebte er sehr gefährlich, die anderen Jungen und ihre Bosse<br />

durften ihn nicht erwischen, wenn er 'wilderte'.<br />

Ramis bereitete diese Welt Unbehagen und das sagte sie Edward auch.<br />

Ansonsten wurden sie immer unzertrennlicher. Später ging Ramis dann zu Liam<br />

und baute ihr Schreibzeug auf. Sie verdiente nur sehr wenig, es erfüllte viele<br />

potentielle Kunden mit Misstrauen, wenn eine Frau dort ihre Schreibkünste anbot.<br />

Davon abgesehen war es ein angenehmer Beruf, auch wenn man damit bestimmt<br />

nicht das große Geschäft machen konnte. Aber es war sehr interessant, denn Ramis<br />

erfuhr oft etwas aus dem Leben der Kunden, sei es über den Brief oder weil man<br />

mit ihr redete. Als Schreiber, so nahm sie an, hatte sie eine Art Schweigepflicht und<br />

Ramis enttäuschte ihr Vertrauen nicht. Es waren sowieso keine sehr geheimen<br />

Sachen. Nur einmal war ein junger Mann zu ihr gekommen. Er konnte nicht<br />

schreiben und lesen, aber er hatte sich in ein hochwohlgeborenes Mädchen verliebt.<br />

In seiner ungeschliffenen Sprache diktierte er ihr einen Liebesbrief. Ramis<br />

verbesserte die Sätze zu einem gehobenen Stil, das gehörte auch zu ihrer Aufgabe.<br />

Schließlich hatte der Analphabet ein gewisses Vertrauen zu ihr, er konnte nicht<br />

überprüfen, was sie schrieb. Besonders bei geschäftlichen Dingen traf das zu.<br />

Ramis war mächtig stolz auf ihr kleines Geschäft. Sie wusste inzwischen, wo sie<br />

gutes Papier herbekam, das nicht teuer war und diese kleinen Besorgungen ließen<br />

sie richtig professionell erscheinen, zumindest in ihren Augen. Außerhalb dieser<br />

Zeiten gab es für sie und Edward nicht viel zu lachen. Manchmal wurde Ramis von<br />

den Besuchern des Goldenen Drachens belästigt, wenn sie die Treppen hoch oder<br />

herunter eilte. Edward wurde ständig von den Frauen ausgeschimpft, was ihn nur<br />

noch ausfallender machte. Nicht einmal vor Madame zeigte er Respekt. Wäre nicht<br />

seine gewinnbringende Mutter gewesen, Edward hätte längst auf der Straße<br />

gesessen. Das hätte ihn gar nicht so geschreckt, erklärte er Ramis. Nur wegen ihr<br />

würde er nicht gehen wollen. Ihr gegenüber machte er öfters solche Offenbarungen<br />

und Ramis wusste nie genau, ob er nicht ein bisschen übertrieb. Allerdings schien<br />

er wirklich an ihr zu hängen und das wärmte ihr Herz. Edwards Dasein in diesem<br />

Haus war jedoch stets unsicher, denn hätte Madame erfahren, dass der Junge auch<br />

hier im Haus klaute, was er in die Finger bekam, so wäre Edward sofort vor der Tür<br />

gesessen. Er legte aber für einen sechsjährigen Jungen eine bemerkenswerte<br />

Geschicklichkeit an den Tag. Ramis wunderte sich oft über seine unausgeglichene<br />

Art. Ihr gegenüber verhielt er sich wie ein kleiner Bruder und ließ sich ständig<br />

versichern, dass sie immer bei ihm bleiben würde. Die anderen schien er nicht<br />

ausstehen zu können und ärgerte sie, wo er nur konnte. Je besser Ramis ihn<br />

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