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Cicero Das neue Nationalgefühl (Vorschau)

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„ Unser Budget liegt bei<br />

18 Millionen Euro im Jahr.<br />

Aber wenn wir 100 Leute entlassen,<br />

kosten wir eben immer<br />

noch 17 Millionen “<br />

André Bücker, Intendant am Theater Dessau<br />

will künftig für jede Opernproduktion<br />

die nötigen Sänger je nach Bedarf nur<br />

noch saisonweise anheuern. Zwar waren<br />

die meisten Opernsängerinnen und -sänger<br />

bisher auch nur über Jahresverträge<br />

an das Haus gebunden, aber es gab immerhin<br />

einen Kreis von etwa zwölf dem<br />

Haus dauerhaft verbundenen Stimmen.<br />

Damit ist jetzt Schluss, und viele wittern<br />

deshalb den kulturellen Ausverkauf.<br />

In der Zeitung Die Welt etwa hieß<br />

es: „In Wuppertal geht es also nicht um<br />

ein Stadttheater <strong>neue</strong>n, schlankeren Typs.<br />

Hier wird vielmehr eine Struktur ausgehöhlt,<br />

ohne eine <strong>neue</strong> zu schaffen.“ <strong>Das</strong><br />

Stagione-Prinzip laufe darauf hinaus,<br />

dass „auch alle paar Wochen eine billige<br />

osteuropäische Tourneebühne vorbeikommen“<br />

könne.<br />

Enno Schaarwächter, kaufmännischer<br />

Geschäftsführer der Wuppertaler<br />

Bühnen, nimmt solche Kritik durchaus<br />

ernst. Der Mann ist Anfang 60 und<br />

hat schon vieles miterlebt am Theater, so<br />

leicht bringt ihn da nichts aus der Fassung.<br />

Er sieht es pragmatisch: Wenn<br />

man in Wuppertal auch in Zukunft noch<br />

sechs Opernproduktionen im Jahr auf die<br />

Bühne bringen wolle, müsse man eben<br />

flexibel sein. Früher seien auch ältere<br />

Sänger, deren Stimmen nicht mehr so<br />

gut waren, im Ensemble gehalten worden.<br />

„Aber wenn der Chefdirigent dem<br />

breiten Opernrepertoire seines Orchesters<br />

gerecht werden will, kann er bei<br />

unserer schlechten Finanzlage eigentlich<br />

nur so vorgehen, wie Herr Kamioka<br />

es tut.“ Hire and fire an der Oper? Erwarten<br />

nicht auch die Zuschauer eine gewisse<br />

Beständigkeit beim künstlerischen<br />

Personal? „Wenn man der Auffassung ist,<br />

dass die Identifikation des Publikums mit<br />

dem Ensemble ein wichtiger Faktor ist,<br />

mag dieses Argument zutreffen. Andererseits<br />

können wir die Struktur, so wie<br />

sie ist, nicht unendlich halten.“<br />

HAGEN LIEGT von Wuppertal nur eine<br />

halbe Stunde Zugfahrt entfernt. Wer dort<br />

am Hauptbahnhof aussteigt, wird von einer<br />

Stadt empfangen, der die vergangenen<br />

20, 30 Jahre ersichtlich nicht gutgetan<br />

haben. Wo früher Fachgeschäfte<br />

waren, sind heute Ein-Euro-Shops untergebracht;<br />

der Weg ins Zentrum wird gesäumt<br />

von Back-Stores, türkischen Brautmode-Läden<br />

und Billigklamotten-Outlets.<br />

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<strong>Cicero</strong> – 9. 2014

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