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KAPITAL<br />

Porträt<br />

MIDAS MUSK<br />

Um Geld geht es Elon Musk schon lange nicht mehr. Als Gründer von Paypal und Tesla<br />

hat er Milliarden verdient. Jetzt teilt er seine Patente für Elektroautos mit allen<br />

Von ELLEN ALPSTEN<br />

In Jon Favreaus Film „Iron Man“<br />

zwingt der Bösewicht Obadiah Stane<br />

seine Wissenschaftler, die genialen<br />

Entwürfe seines Gegenspielers, des Milliardärs<br />

Tony Stark, zu studieren, bis ihnen<br />

die Köpfe rauchen. Ähnlich geht es<br />

nun der Konkurrenz des Unternehmers<br />

Elon Musk, der die Patente seines Automobilkonzerns<br />

Tesla offengelegt hat.<br />

„Wie will man wirklich etwas ändern,<br />

wenn nicht alle Zugriff zum notwendigen<br />

Wissen haben?“, fragt Musk entwaffnend<br />

in seinem Blog. Der Vergleich<br />

zwischen Iron Man Tony Stark und Elon<br />

Musk liegt nah, aber noch mehr erzählt<br />

Musks Reaktion darauf: „Fällt Ihnen außer<br />

mir noch jemand ein, der dem Vergleich<br />

standhält?“, fragt der gebürtige<br />

Südafrikaner gern.<br />

Aber ist alles wirklich so einfach?<br />

Also: Musk, der visionäre Technologe<br />

und Physiker; Musk, der grenzenlos risikofreudige<br />

Spieler; Musk, der rücksichtslose<br />

Lebemann. In der Alphamann-<br />

Apartheidsgesellschaft im Pretoria der<br />

siebziger Jahre aufgewachsen, las das<br />

Kind Elon – sein Name bedeutet auf Hebräisch<br />

„Eiche“, er selbst ist allerdings<br />

nicht jüdisch – alles von Lexika über<br />

Schopenhauer und Nietzsche bis zum<br />

„Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“. Von<br />

da an kam es ihm nicht mehr so sehr auf<br />

die Antwort als auf die richtige Fragestellung<br />

im Leben an. Sein erstes Videospiel<br />

entwickelte er mit zwölf Jahren und<br />

verkaufte es für 300 Dollar. Um dem Militärdienst<br />

zu entgehen, wanderte Musk<br />

erst nach Kanada, dann in die USA aus.<br />

Seine Teilnahme an dem Master-Programm<br />

in Physik der Stanford University<br />

währte zwei Tage: Statt weiter zu<br />

studieren, baute Musk lieber Unternehmen<br />

auf. Er gehörte zu den Gründern des<br />

Bezahldiensts Paypal, für den Ebay später<br />

1,5 Milliarden Dollar zahlte.<br />

Musk dachte nicht daran, in Pension<br />

zu gehen, sondern griff mit Space X, dem<br />

ersten privaten Konzern für Raumtransporte<br />

und -reisen, nach den Sternen: Er<br />

wolle auf dem Mars sterben, allerdings<br />

nicht schon beim Aufprall, sagte Musk<br />

nur halb im Scherz. Seine Leute konstruieren<br />

gerade 60 Meter hohe Raketen,<br />

die Fracht und bis zu sieben Passagiere<br />

transportieren können.<br />

IST ER WIE MIDAS, jener Sagenkönig, der<br />

alles, was er anfasste, zu Gold machte?<br />

Musk träumte weiter. Schon früh hatte<br />

er über Elektroautos nachgedacht, die<br />

wollte er nun auch bauen. Aber die Wirtschaftskrise<br />

traf seine junge, reelle Firma<br />

so hart, dass er sich Heiligabend 2008 mit<br />

seinem gesamten Privatvermögen in den<br />

Konzern einbrachte: All in! Für seine Vision<br />

setzte er den letzten Knopf auf seiner<br />

Hosennaht aufs Spiel.<br />

<strong>Das</strong> Risiko lohnte sich, denn 2009<br />

stieg Daimler mit 50 Millionen Dollar<br />

bei Tesla ein. Die Firma war gerettet, die<br />

Google-Gründer Larry Page und Sergey<br />

Brin zählten zu den ersten Abnehmern<br />

des Modells Tesla S. Über das vergangene<br />

Jahr stiegen die Tesla-Aktien um<br />

142 Prozent. Musks Modelle halten bei<br />

allem mit – Ästhetik, Stauraum, Service,<br />

Bequemlichkeit, Sicherheit –, und er bietet<br />

schnelle Ladestationen.<br />

Hat er Angst vor dem Scheitern? Ja,<br />

aber er weiß sie zu begrenzen. Schlimmer<br />

ist für ihn die Vorstellung, eines Tages zu<br />

sterben – auf der Erde oder dem Mars –<br />

und nicht alles getan zu haben, um die<br />

hochgesteckten Ziele zu erreichen.<br />

<strong>Das</strong> wahre Genie, der wahre Spieler<br />

kennt eben keine Grenzen und ist<br />

absolut, in allem. Seine erste Frau Justine,<br />

eine Schriftstellerin, lernte ihn als<br />

armen Studenten kennen und lieben.<br />

Nach dem plötzlichen Kindstod ihres<br />

ersten Sohnes Nevada gebar sie in nur<br />

zwei Jahren erst Zwillinge, dann Drillinge:<br />

Alles Söhne. „Ich bin deine Frau,<br />

nicht deine Angestellte“, warnte Justine<br />

ihn, während sie gegen eine postnatale<br />

Depression kämpfte. „Wenn du<br />

meine Angestellte wärst, hätte ich dich<br />

längst gefeuert“, erwiderte Musk – und<br />

tat dann doch genau dies. Über das Ende<br />

der Ehe wurde sie im Büro ihrer Therapeutin<br />

informiert.<br />

Musk dagegen beschrieb sich damals<br />

als „sehr privat“. <strong>Das</strong> änderte sich: No<br />

Sex before Marriage, beschied ihm die<br />

englische Schauspielerin Talulah Riley –<br />

optisch eine Mischung aus Kate Moss<br />

und Milla Jovovich – bei ihrem Kennenlernen<br />

in einer Londoner Bar. Nur sechs<br />

Wochen später waren sie verlobt. Wie<br />

schon Justine wurde Talulah in kürzester<br />

Zeit sehr blond und sehr schlank. Gemeinsam<br />

zierten sie die Titel der Regenbogenpresse.<br />

Kein Fest fand mehr ohne<br />

die Musks statt – sei es die Oscar-Verleihung<br />

oder ein Dinner bei Obama. Doch<br />

nur ein Jahr später verkündete Musk auf<br />

Twitter das Ende der Ehe. Seitdem ist das<br />

Paar mal zusammen, mal getrennt.<br />

Musks feine Gesichtszüge erinnern<br />

noch immer an den Jungen, der unter der<br />

Freiheit des unendlichen Sternenhimmels<br />

Südafrikas von einer grenzenlosen Welt<br />

träumte. Träume, die Wirklichkeit werden<br />

sollen: Koste es, was es wolle; die Suche<br />

wie auch das Finden. Denn das Gegenteil<br />

einer großen Wahrheit, schrieb<br />

einst der Physiker Niels Bohr, ist ebenfalls<br />

eine große Wahrheit. Auch den Vergleich<br />

mit Bohr würde Musk vermutlich<br />

nicht scheuen.<br />

ELLEN ALPSTEN hat nichts gegen<br />

Internetunternehmer, aber schreiben kann<br />

sie am besten über sie, wenn sie sich zwingt,<br />

offline zu bleiben<br />

Foto: Brian van der Brug/Los Angeles Times/Polaris/Laif<br />

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<strong>Cicero</strong> – 9. 2014

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