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Cicero Das neue Nationalgefühl (Vorschau)

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TITEL<br />

<strong>Das</strong> <strong>neue</strong> <strong>Nationalgefühl</strong><br />

EINE EINMALIGE GELEGENHEIT<br />

Von SEAN CONNERY<br />

Nun, da ich schon mehr als 50 Jahre für die Unabhängigkeit<br />

eintrete, habe ich das Gefühl,<br />

dass man alle Argumente schon bis zum Überdruss<br />

gehört hat. Jetzt, da der Tag der Abstimmung<br />

naht, löst sich ein Schreckgespenst nach dem andern<br />

auf, die Gegner der Unabhängigkeit an die Wand gemalt<br />

haben. Ein <strong>neue</strong>s Gefühl der Hoffnung auf eine<br />

bessere Zukunft macht sich breit. Schottland hat die<br />

Chance, eine große Veränderung herbeizuführen.<br />

Ein Land wird vor allem durch seine Kultur bestimmt.<br />

Sie verschafft internationale Sichtbarkeit und<br />

regt das globale Interesse an – viel mehr als es die Politik<br />

des Landes, das Geschäftsleben<br />

oder die Wirtschaft je<br />

vermögen.<br />

Schottland ist wahrhaft gesegnet<br />

mit einer schillernden<br />

Geschichte, einer starken Identität,<br />

seinen tief verwurzelten<br />

Traditionen, seinem Engagement<br />

für künstlerische Er<strong>neue</strong>rungen<br />

und seinen vielfältigen<br />

und schönen Landschaften.<br />

All dies hat dazu beigetragen,<br />

dass Schottland eines der bekanntesten<br />

Länder der Erde ist.<br />

Als Schotte, der viel Zeit seines<br />

Lebens nicht in Schottland verbracht<br />

hat, bin ich immer wieder<br />

erstaunt über die Kenntnisse<br />

der Menschen und ihrer<br />

Liebe für diese Nation.<br />

Ich habe keine Zweifel daran, dass ein Grund hierfür<br />

das 1999 konstituierte schottische Parlament ist.<br />

Mein Eindruck ist, dass die Dezentralisierung eine<br />

<strong>neue</strong> Ausdrucksform kultureller Werte und einen<br />

<strong>neue</strong>n Stolz auf unser nationales Erbe gefördert hat;<br />

sie hat einen Rahmen geschaffen für die gälische Sprache<br />

bis zu einer innovativen Architektur. Als ich an<br />

der Eröffnung des Parlaments in meiner Heimatstadt<br />

Edinburgh teilnahm, war das einer der stolzesten Tage<br />

meines Lebens.<br />

Ich glaube daran, dass Schottland mehr schaffen<br />

kann. Die Zustimmung für die schottische Unabhängigkeit<br />

im September wird die Aufmerksamkeit der<br />

Welt erregen. Sie wird noch stärker auf unsere Kultur<br />

und unsere Politik schauen. <strong>Das</strong> gibt uns die einmalige<br />

Gelegenheit, sich auf unser Erbe und unsere Kreativität<br />

zu besinnen. Durch die Kraft der Unabhängigkeit<br />

wird es uns Schotten gelingen, unsere Kultur weiterzuentwickeln,<br />

sie zu bereichern und sie effektiver zu<br />

vermarkten. Wir können da auf den Erfolg von Veranstaltungen<br />

wie den Commonwealth-Spielen, dem Ryder<br />

Cup und vielen anderen Festivals aufbauen. Kultur<br />

und Kreativität sind eine Kraft zum Wohle der Gesellschaft,<br />

und mit den verbesserten Ressourcen, die die<br />

Unabhängigkeit bietet, wird Schottland mit den Besten<br />

im Wettbewerb stehen.<br />

Niemand wird überrascht sein, dass ich besonders<br />

begeistert bin von den Möglichkeiten, die eine Unabhängigkeit<br />

der schottischen Filmindustrie eröffnet – sie<br />

animiert <strong>neue</strong> ausländische Investitionen<br />

und die internationale<br />

Vermarktung Schottlands<br />

als unverwechselbarer Drehort.<br />

Eine größere und selbstbewusstere<br />

Film- und Rundfunkbranche<br />

wird einen Zufluss an Mitteln<br />

und <strong>neue</strong>n Arbeitsplätzen<br />

nach sich ziehen.<br />

Wenn man die Zahlen betrachtet,<br />

ist vollkommen klar,<br />

dass es sowohl große wirtschaftliche<br />

wie auch kulturelle<br />

Vorteile gibt. Im Jahr 2011 hat<br />

Schottlands kreative Industrie<br />

2,8 Milliarden Pfund (etwa<br />

3,5 Milliarden Euro) erwirtschaftet.<br />

Die historischen Stätten<br />

haben 2 Milliarden Pfund<br />

(2,5 Milliarden Euro) eingebracht<br />

und für 60 000 Arbeitsplätze gesorgt. <strong>Das</strong> sind<br />

eindrucksvolle Zahlen. Mit der Unabhängigkeit könnten<br />

sie noch eindrucksvoller werden.<br />

Ich respektiere vollkommen, dass die Entscheidung,<br />

vor der Schottland am 18. September steht, eine<br />

derjenigen ist, die dort leben und arbeiten – das ist<br />

richtig und angemessen. Als Schotte und als jemand,<br />

der sein Leben lang Schottland wie auch die Kunst geliebt<br />

hat, bin ich überzeugt, dass die Gelegenheit für<br />

die Unabhängigkeit zu gut ist, um sie zu verpassen.<br />

Einfacher ausgedrückt: Es gibt nichts Kreativeres,<br />

als eine <strong>neue</strong> Nation zu schaffen.<br />

SEAN CONNERY, 84, ist von Geburt und mit Leidenschaft<br />

Schotte. Seit Jahren kämpft er für die Unabhängigkeit<br />

Schottlands. Allerdings nicht im Auftrag Ihrer Majestät wie<br />

einst als James Bond<br />

Dieser Text ist erstmals erschienen im New Statesman; Foto: Chris Watts/Scopefeatures.com/Bulls Press [M]<br />

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<strong>Cicero</strong> – 9. 2014

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