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Cicero Das neue Nationalgefühl (Vorschau)

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KAPITAL<br />

Interview<br />

„ Über den<br />

Preis können<br />

wir nicht gewinnen,<br />

aber<br />

wir setzen uns<br />

über bessere<br />

Qualität ab “<br />

Was zum Beispiel?<br />

Viele Leute wollen mir immer erzählen,<br />

dass es bei Aldi und Lidl ausgezeichnete<br />

Weine gäbe. Da bin ich eher skeptisch,<br />

weil Wein eben nicht gleich Wein<br />

ist. Für mich muss hinter einem guten<br />

Wein ein Winzer mit einer Philosophie<br />

stehen, der seine Arbeit mit Leidenschaft<br />

macht und nicht nur auf Profitmaximierung<br />

aus ist. Weingüter, die so arbeiten,<br />

können aber gar nicht in den von den<br />

Discountern benötigten Mengen liefern.<br />

Verstehen Sie sich denn als Verkäufer<br />

oder wollen Sie Ihre Kunden zu besseren<br />

Essern und Trinkern erziehen?<br />

Den Begriff Erziehen mag ich in diesem<br />

Zusammenhang nicht. Wir sind eher<br />

Entwicklungshelfer, die die Kunden liebevoll<br />

überzeugen wollen, dass es noch<br />

mehr gibt als den Einheitsbrei der Lebensmittelindustrie.<br />

Ich finde es sprachlich<br />

schon so furchtbar, dass sich die großen<br />

Hersteller als Industrie verstehen.<br />

Dabei haben wir im Deutschen mit dem<br />

Wort Lebensmittel den schönsten Begriff<br />

für unsere Nahrung. <strong>Das</strong> sind unsere Mittel<br />

zum Leben, mit denen wir viel zu unachtsam<br />

umgehen.<br />

Aber Sie verkaufen doch auch die Marken<br />

der großen Hersteller?<br />

Ja, aber es kommt auf die Mischung<br />

an. Wir beziehen nur etwa die Hälfte<br />

In die <strong>neue</strong>ste Filiale hat Wiem<br />

einen historischen Krämerladen<br />

integriert, den er Bernhard Paul,<br />

Chef des Zirkus Roncalli, aus<br />

dessen Sammlung abgekauft hat<br />

unseres Sortiments über Edeka, den Rest<br />

kaufen wir über eigene Lieferanten oder<br />

direkt beim Erzeuger ein. Da wir solche<br />

Kontakte intensiv pflegen, bekommen<br />

wir für unser Weinsortiment auch Weine,<br />

die sonst nur an den Fachhandel und die<br />

Gastronomie geliefert werden.<br />

Wer sind Ihre schärfsten Wettbewerber?<br />

Ich kümmere mich nicht so sehr um<br />

die Konkurrenz, mich interessieren vor<br />

allem die Wünsche der Kunden. Daher<br />

bin ich auch ständig in den Läden präsent.<br />

Ich weiß, dass ich den Wettbewerb<br />

über den Preis eh nicht gewinnen kann,<br />

aber man kann sich auch durch bessere<br />

Qualität absetzen.<br />

Wie geht das konkret?<br />

Wir haben zum Beispiel die Produkte<br />

vieler regionaler Kleinsterzeuger<br />

im Sortiment. Süßigkeiten und Schokolade,<br />

Gebäck und Kaffee verschiedener<br />

Manufakturen aus Hamburg. Wir haben<br />

als Erste echten Hamburger Gin und<br />

Wodka von zwei verschiedenen kleinen<br />

Brennern verkauft oder das Craft Beer<br />

von der wiederbelebten Elbschlossbrauerei.<br />

Die Jungs von Fritz-Kola haben gegenüber<br />

von einem unserer Märkte mit<br />

der Abfüllung ihrer Limonaden angefangen<br />

und die ersten Kisten noch per Hand<br />

zu uns gebracht. Hier in St. Georg, in unserer<br />

<strong>neue</strong>n preisgekrönten Filiale, betreiben<br />

wir jetzt auch die Bäckerei selbst. Dafür<br />

haben wir uns die besten Sachen von<br />

vier verschiedenen Lieferanten zusammengestellt.<br />

Die Kunden honorieren das,<br />

weil sie wissen, dass andere Supermärkte<br />

ihnen das nicht bieten können. Teilweise<br />

empfehlen sie uns auch <strong>neue</strong> Erzeuger.<br />

Die Bedeutung guter Mitarbeiter und der<br />

Qualität der Ware haben Sie schon betont.<br />

Wie wichtig ist die Präsentation?<br />

Unser Firmenmotto heißt: Anders<br />

sein als die anderen. Die Präsentation<br />

soll die Frische der Ware unterstreichen.<br />

Deswegen haben wir schon seit Jahren<br />

offene Salatbars, die Fertiggerichte zum<br />

Mitnehmen kommen aus unserer eigenen<br />

Küche, und es gibt überall Probierstationen.<br />

In St. Georg lagern wir unseren<br />

Käse in einem gläsernen Klimaraum,<br />

es gibt Sitzecken zum Verweilen, und besonders<br />

stolz bin ich auf unseren historischen<br />

Krämerladen, den wir Roncalli-<br />

Chef Bernhard Paul aus seiner Sammlung<br />

abkaufen konnten.<br />

<strong>Das</strong> Gespräch führte TIL KNIPPER<br />

92<br />

<strong>Cicero</strong> – 9. 2014

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