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WELTBÜHNE<br />
Fotoessay<br />
Paraná de las Palmas: Hier sieht man jeden<br />
Dienstag das Einkaufsboot Raquel N den Fluss<br />
hinauffahren. Es bringt frische Lebensmittel<br />
und Getränke zu den Isleños<br />
Etwa 40 Kilometer nordwestlich der argentinischen<br />
Hauptstadt Buenos Aires, vor den Toren<br />
von Tigre, öffnet sich die Welt der weißen Reiher,<br />
der Sumpfhirsche und der Capybaras, der Schwertlilien<br />
und der Moskitos. Der braune Strom des Paraná<br />
mündet hier nach langer Reise in den Río de la Plata<br />
und bildet kurz vor dem Atlantik auf über 14 000 Quadratkilometern<br />
eines der größten Süßwasserdeltas der<br />
Welt: das Paraná-Delta.<br />
Ein subtropisches Labyrinth aus unzähligen verschlungenen<br />
Wasserwegen und Insellandschaften erschließt<br />
sich hier – bewohnt von den Isleños, wie die<br />
fernen Städter die Einheimischen nennen.<br />
<strong>Das</strong> karge Gemüt der Inselbewohner und die eigenwillige<br />
Schönheit der Gegend sind es, die Alejandro<br />
Chaskielberg faszinieren. Zwei Jahre verbrachte der<br />
argentinische Fotograf im Delta, lenkte sein Motorboot<br />
die Flussarme hinauf und beobachtete den Paraná und<br />
die Menschen, die mit ihm in selten einträchtiger Symbiose<br />
leben. Der Rhythmus von Leben und Arbeit, allein<br />
bestimmt von den Gezeiten.<br />
Entstanden ist so die Porträtreihe „The High Tide“.<br />
Sie erzählt von der Gemeinschaft im Delta, von der<br />
Mühsal und dem ökonomischen Überleben am Rande.<br />
Fotografiert wurde ausschließlich nachts, bei Vollmond.<br />
„Ich wollte traumhafte Szenarien schaffen“, sagt Chaskielberg,<br />
„aber mit echten Menschen in echten Situationen.“<br />
Herausgekommen sind surreale Bilder, die<br />
die Lücke zwischen Dokument und Fiktion schließen.<br />
Die Inselbewohner selbst interessieren sich nur<br />
wenig für ihre Porträts. Für sie sind es Momentaufnahmen<br />
in völliger Regungslosigkeit, bis der Mond<br />
wieder abnimmt. Zurück bleiben die Menschen. Und<br />
der Fluss. <br />
Sarah-Maria Deckert<br />
72<br />
<strong>Cicero</strong> – 9. 2014