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KAPITAL<br />
Report<br />
Finanzsektor. Swift schweigt zunächst; erst einige Wochen<br />
später bestätigte der damalige Swift-Vorstandschef<br />
Lazaro Campos, dass die iranischen Banken aus<br />
dem Netzwerk ausgeschlossen worden waren.<br />
Dem Unternehmen selbst und der Finanzindustrie<br />
scheint die Instrumentalisierung durch die Politik unangenehm<br />
zu sein. Nach außen präsentiert sich Swift<br />
am liebsten als eine neutrale, supranationale Institution,<br />
die die erzielten Gewinne immer direkt wieder<br />
in die Sicherheit des eigenen Datennetzwerks investiert.<br />
Bei Nachfragen zur Verbannung des Iran verweist<br />
Swift auf die eigene Webseite. Dort heißt es, als<br />
belgisches Unternehmen habe man sich an das EU-<br />
Recht zu halten und lediglich die im März 2012 von<br />
der EU beschlossenen Sanktionen umgesetzt. Auch<br />
die großen deutschen Swift-Mitglieder pflegen weiter<br />
das Bild von der Neutralität des Systems. Und was ist<br />
mit dem Iran oder einem möglichen Ausschluss Russlands?<br />
„Fragen Sie direkt bei Swift nach, da gibt es<br />
von unserer Seite nichts zu kommentieren“, lautet die<br />
immer gleiche Antwort der Pressestellen der großen<br />
deutschen Banken.<br />
Was die Verbannung des Iran aus Swift in der Praxis<br />
bedeutet, davon kann Richard Oladi ein Lied oder<br />
eher ein ganzes Gesangbuch voll singen. Der Brite arbeitet<br />
an der Teheraner Börse für eine in London ansässige<br />
Tradingfirma. Seit der Zugang der iranischen<br />
Banken zum Swift-System blockiert ist, kann Geld<br />
nur noch auf Schleichwegen in und aus dem Golfstaat<br />
transferiert werden. Was vorher mit einem Knopfdruck<br />
ging, hat sich seitdem zu einem Abenteuer entwickelt.<br />
„Anfangs konnten wir noch mithilfe von Wechselstuben<br />
im Irak, die über gute Kontakte zu Banken in<br />
Dubai und der Türkei verfügten, Geldtransfers abwickeln“,<br />
erzählt Oladi. Es handelt sich um ein uraltes<br />
System, das auf Persisch Havaleh heißt. Aber die<br />
USA und Europa erhöhten den Druck auf die Banken<br />
der iranischen Nachbarländer. Diese stiegen aus dem<br />
Der Ausschluss<br />
aus dem Swift-System<br />
für internationale<br />
Zahlungen ist die<br />
Atomwaffenoption der<br />
Sanktionspolitik<br />
Havaleh-Kreislauf aus, um nicht den eigenen Zugang<br />
zu den westlichen Finanzmärkten zu riskieren. „So<br />
war auch diese Route für unsere Überweisungen nicht<br />
mehr verfügbar“, sagt Oladi.<br />
Plötzlich wurden einfachste Dinge, wie die Bezahlung<br />
der iranischen Angestellten, zu großen Herausforderungen,<br />
weil das Geld dafür aus London kam. „Wir<br />
fingen an, das Geld per Kurier oder via DHL in bar zu<br />
verschicken. Manchmal muss ich aber auch nach London<br />
fliegen und im Koffer cash die Gehälter für die<br />
kommenden drei Monate zurück nach Teheran bringen“,<br />
sagt Oladi.<br />
Der Bannstrahl aus La Hulpe hat den Iran hart getroffen.<br />
Zusammen mit den Sanktionen gegen den iranischen<br />
Finanzsektor und die Öl exportierenden Unternehmen<br />
hat der Ausschluss aus dem internationalen<br />
Zahlungsverkehrssystem die iranische Wirtschaft erheblich<br />
geschwächt. In den vergangenen zwei Jahren<br />
ist das Bruttoinlandsprodukt des Landes um knapp<br />
ein Drittel gesunken.<br />
DIE GESPRÄCHE MIT DEM IRAN sind noch nicht erfolgreich<br />
abgeschlossen, aber insbesondere die amerikanische<br />
Diplomatie geht davon aus, dass der Swift-Bann<br />
entscheidend war, um die iranischen Politiker zurück<br />
an den Verhandlungstisch zu bringen, und gleichzeitig<br />
den Weg geebnet hat für die Wahl des moderaten<br />
Präsidenten Hassan Rohani im vergangenen Jahr.<br />
Entsprechend groß ist die Versuchung jenseits des Atlantiks,<br />
die Swift-Waffe auch im Ukrainekonflikt gegen<br />
Russland in Stellung zu bringen. „Unter Präsident<br />
Barack Obama setzen die USA in der Außenpolitik<br />
verstärkt auf wirtschaftliche Sanktionen, während<br />
George W. Bush lieber Soldaten geschickt hat“, sagt<br />
Ökonom Aslund.<br />
Wie ernst es die Obama-Regierung mit ihrer Sanktionspolitik<br />
meint, hat sie Anfang Juli unter Beweis gestellt.<br />
<strong>Das</strong> US-Justizministerium verurteilte die französische<br />
Großbank BNP Paribas zu einer Rekordstrafe<br />
in Höhe von knapp sieben Milliarden Euro, weil sie<br />
gegen die von den USA verhängten Sanktionen gegen<br />
den Sudan, den Iran und Kuba verstoßen hatte. „Hier<br />
wurde sehr deutlich gemacht, was passiert, wenn eine<br />
Bank aus dem Westen gegen die von den USA aufgestellten<br />
Regeln verstößt“, sagt Anders Aslund.<br />
Gegen Russland sind die USA schon bisher wesentlich<br />
entschlossener vorgegangen als die Europäer. Die<br />
beiden US-Kreditkartenunternehmen Mastercard und<br />
Visa haben bereits im März die Zusammenarbeit mit<br />
mehreren russischen Banken fristlos beendet. Da wirkt<br />
es eher hilflos, wenn Öl-Oligarch und Putin-Freund<br />
Gennadi Timtschenko demonstrativ ironisch in die russischen<br />
Kameras sagt: „Funktioniert ja prima!“ Er verwende<br />
jetzt einfach das chinesische System UnionPay.<br />
<strong>Das</strong>s dessen Infrastruktur in Russland sehr übersichtlich<br />
ist, verschweigt er lieber.<br />
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<strong>Cicero</strong> – 9. 2014