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JAKOB AUGSTEIN, 4 7,<br />
ist Verleger der Wochenzeitung<br />
Der Freitag und<br />
Publizist. Für Spiegel und<br />
Spiegel Online schreibt<br />
er die Kolumne „Im Zweifel<br />
links“. Der gebürtige<br />
Hamburger wuchs als<br />
Sohn des Spiegel-Gründers<br />
Rudolf Augstein auf<br />
FRANK A. MEYER, 70, ist<br />
Kolumnist und publizistischer<br />
Berater des Ringier-Verlags.<br />
<strong>Das</strong> Geschehen der Berliner<br />
Republik kommentiert er<br />
jeden Monat in <strong>Cicero</strong>. In<br />
der Schweiz schreibt er wöchentlich<br />
im Sonntagsblick.<br />
Er wuchs im zweisprachigen<br />
Biel-Bienne als Sohn eines<br />
Uhrmachers auf<br />
die Chinesen die Bühne der Weltpolitik<br />
betreten, Indien und Pakistan tragen<br />
einen schweren Konflikt aus, auf globaler<br />
Ebene gibt es seit 9/11 den Konflikt<br />
zwischen christlicher und islamischer<br />
Welt. <strong>Das</strong> sind immer Konflikte<br />
um Einfluss- und Machtsphären.<br />
Lieber Jakob Augstein, ich habe ganz<br />
bewusst gesagt: Es ist nicht ausschließlich<br />
ein kultureller Konflikt. Doch wir Europäer<br />
haben etwas übersehen. Wir haben<br />
es schon bei der Integration von Bulgarien<br />
und Rumänien in die EU übersehen: Die<br />
früheren „Satelliten-Staaten“ der Sowjetunion,<br />
wie wir sie nannten, haben nicht<br />
viel Zeit und Gelegenheit gehabt, demokratisches<br />
Bewusstsein zu entwickeln. Sie<br />
haben ihre Geschichte nicht bewältigen<br />
können. Sie lebten bis 1989 als hermetisch<br />
abgeschlossene Gesellschaften. Diktatur<br />
ist ja hermetisch. Der Kommunismus<br />
hat verhindert, dass sich die Kultur dieser<br />
Völker entwickelt. Zwischen Kirche und<br />
Staat konnte kein zeitgemäßes Verhältnis<br />
entstehen. Bleiben wir bei der Ukraine:<br />
Die Ostukraine ist kulturell anders grundiert,<br />
pflegt andere kulturelle Sensibilitäten<br />
als die Westukraine. Aber natürlich haben<br />
Sie recht: <strong>Das</strong> alles ist auch ein Kampf<br />
um Einflusssphären. Die Welt ist derart<br />
ökonomisiert, dass es tatsächlich immer<br />
auch um krude kommerzielle Macht geht.<br />
Warum tun wir uns denn so schwer,<br />
das einfach zuzugestehen und zu sagen:<br />
„Hier herrscht ein Kampf um Einflusssphären.<br />
Die Russen haben ihre Interessen,<br />
und wir haben unsere – mal<br />
schauen, ob es einen Interessenausgleich<br />
gibt, oder: mal schauen, ob sich<br />
hier tatsächlich der Stärkere durchsetzt?“<br />
Weshalb laden wir diese Debatte<br />
so stark mit Moral auf? Warum<br />
müssen wir sagen: „Putin ist der Böse.<br />
Er ist ein Aggressor, der das Gleichgewicht<br />
der Kräfte in Europa bedroht.“<br />
Dabei geht es dem Westen selbst doch<br />
um nichts anderes als die Verschiebung<br />
des Gleichgewichts zu seinen Gunsten.<br />
Wir haben eine kulturelle Bruchstelle,<br />
wir haben Ungleichzeitigkeiten,<br />
und wir haben ganz automatisch den<br />
Kampf um ökonomische Einflusssphären.<br />
<strong>Das</strong> sind die drei Konfliktfelder. Wir wollen<br />
auch Putin verstehen. Motive nachvollziehen<br />
zu können, heißt aber noch<br />
nicht, sie zu billigen. Sie und ich haben<br />
bestimmte Maßstäbe für den Umgang mit<br />
dem Völkerrecht. Und wir haben ein bestimmtes<br />
Verständnis vom Umgang mit<br />
den Menschen. Wir können unsere Werte<br />
zwar nicht anderen Kulturen und Staaten<br />
überstülpen, aber wir können sagen:<br />
„Die Werte, die in eurem Land gelten,<br />
sind nicht unsere Werte.“<br />
Aber moralische Außenpolitik gibt es<br />
nicht.<br />
In der Außenpolitik gibt es keine<br />
Freunde, nur Interessensphären. Aber<br />
es ist dennoch ganz klar, dass man in einer<br />
Wertewelt verwurzelt ist und aus dieser<br />
Wertewelt heraus ethische und moralische<br />
Prinzipien für das eigene Handeln<br />
entwickelt. Alles andere wäre zynisch!<br />
Wenn wir Wirtschaftsbeziehungen mit<br />
Saudi-Arabien pflegen, kennen wir keine<br />
moralische Komponente.<br />
eröffnung 16. Sep, 19 uhr<br />
akademie der künSte, hanSeatenweg<br />
41<br />
<strong>Cicero</strong> – 9. 2014<br />
www.berlinartweek.de