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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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STAAT UND REGIERUNG, DEREN ZWECK ES EBEN WAR,<br />

SIE ZU SCHÜTZEN. Der Konvent, immer im Namen des Volkes<br />

handelnd, stellte DIE RECHTE DER PERSÖNLICHKEIT fest<br />

und begründete gleichzeitig eine öffentliche Autorität.” 170 Die<br />

französischen Hitzköpfe hingegen betrachteten ihre Parolen von<br />

Freiheit, (faktischer, nicht nur rechtlicher) Gleichheit und Brüderlichkeit<br />

nicht als Eckpfeiler einer ausgewogenen Verwaltung,<br />

sondern als Thesen für <strong>den</strong> Kampf zwischen Gut und Böse. Sie<br />

konzentrierten sich auf das Problem, wer <strong>den</strong>n die Rechte, die angeblich<br />

automatisch dem Volkswillen entsprungen waren, durchsetzen<br />

sollte; und nicht auf die Fragen: Wie soll deren Durchsetzung<br />

institutionalisiert wer<strong>den</strong>, und wie sollen die entsprechen<strong>den</strong><br />

Autoritäten kontrolliert wer<strong>den</strong>? Vor allem aber verwechselten sie<br />

die Begriffe „Gesetz” und (übergeordnetes) „Recht”: Artikel 6 der<br />

französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte lautet:<br />

„Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens...” Damit<br />

wird jedes Gesetz sakrosankt, ohne daß es seine Legitimation aus<br />

einem höheren Rechtsempfin<strong>den</strong> ableiten müßte. In Art. 12 machte<br />

man einen kläglichen Einschränkungsversuch: „Die Sicherung<br />

der Menschen- und Bürgerrechte macht eine öffentliche Gewalt<br />

notwendig; diese Gewalt wird demnach zum Nutzen aller eingesetzt,<br />

nicht aber zum Sondervorteil derjenigen, <strong>den</strong>en sie anvertraut<br />

ist.” Das ist aber keine Sicherung, sondern eine Beschwörungsformel<br />

(und sinngemäß nur eine weitere Rechtfertigung<br />

schrankenloser Macht). Es wird weder gesagt, wer die öffentliche<br />

Gewalt sein soll, noch wie sie besagte Rechte gewährleisten soll.<br />

Außerdem ist keine Sicherung gegen diese Gewalt eingebaut. Vor<br />

allem aber sind die Leitsterne der Revolution: Freiheit, Gleichheit,<br />

Brüderlichkeit – illusionäre Irrlichter, „Freiheit” steht abstrakt im<br />

Raum; „Gleichheit” wird nicht rechtstheoretisch verstan<strong>den</strong>, sondern<br />

als Rasenmäher-Prinzip; „Brüderlichkeit” gehört als Begriff<br />

in die Bibel, aber nicht in eine Verfassung.<br />

Wie anders dagegen die Bill of Rights des Staates Virginia vom<br />

Juni 1776 (dreizehn Jahre vor der französischen Erklärung der<br />

Menschen- und Bürgerrechte): In Art. 3 lesen wir: „[...] von all<br />

<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Regierungen und Regierungsformen ist diejenige<br />

die beste, [...] die am wirksamsten gegen die Gefahr des<br />

Machtmißbrauchs gesichert ist”.<br />

Es ist eine folgenschwere Ignoranz, zu glauben, diese rechtsphilosophischen<br />

und verfassungstechnischen Fragen seien in der Gegenwart<br />

ohne – oder von nurmehr geringer – Bedeutung für uns.<br />

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