30.11.2014 Aufrufe

Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ge aufzudecken und ihrer bislang mystischen und beängstigen<strong>den</strong><br />

Kräfte zu entklei<strong>den</strong>, lag der Schluß der von <strong>den</strong> Kräften des Verstandes<br />

Berauschten nicht fern, auch <strong>den</strong> „Gesetzmäßigkeiten” der<br />

Geschichte und der menschlichen und gesellschaftlichen Entwicklung<br />

– sozusagen <strong>den</strong> „anthropologischen Naturgesetzen” – mit<br />

Zirkel, Lineal, mathematischen Formeln und chirurgischen Seziermessern<br />

auf die Spur kommen zu können. (Das ging so weit,<br />

daß der Frühsozialist Auguste Comte einmal bemerkte, er habe<br />

nur Verachtung für die Bewunderer der „Weisheit der Natur”. Ein<br />

paar fähige Ingenieure hätten diese Natur wesentlich besser planen<br />

und entwerfen können.)<br />

Diese „Methode” sollte sich als verheerend erweisen, <strong>den</strong>n sie<br />

führt bei komplexen sozio-ökonomischen Gebil<strong>den</strong> nicht nur zu<br />

falschen „Erkenntnissen”, sondern – was noch schlimmer ist – von<br />

<strong>den</strong> falschen „Erkenntnissen” zu absur<strong>den</strong> Schlußfolgerungen<br />

über Zukunft und Veränderbarkeit sozio-ökonomischer Entwicklungsprozesse.<br />

Die falsche Methode hat lediglich <strong>den</strong> zweifelhaften<br />

„Vorteil”, daß sich mit ihr jeder noch so abstruse Unsinn (angeblich)<br />

„wissenschaftlich” beweisen läßt. Kein Wunder also, daß<br />

Karl Marx später die sogenannte polytechnische Bildung als eine<br />

Erziehung gefordert hat, „welche die allgemeinen wissenschaftlichen<br />

Grundsätze aller Produktionsprozesse mitteilt”. 67 (Produktionsprozeß<br />

bedeutet in der Marx‟schen Terminologie eben mehr<br />

als nur technische Verfahren, nämlich <strong>den</strong> „Unterbau”, auf dem<br />

der marxistische „Überbau” ruht. Genaueres in späteren Kapiteln.)<br />

Genau gegenüber der École Polytechnique nahm der abenteuerliche<br />

Bonvivant aus aristokratischem Hause, Henri de Saint-<br />

Simon, im Jahr 1798 seinen Wohnsitz. Während der Revolution<br />

hatte er seinen Adelstitel abgelegt und sich als extremer Sansculotte<br />

betätigt. Obwohl er mit <strong>den</strong> wildesten Spekulationen – insbesondere<br />

beim Verschachern der enteigneten Kirchengüter –<br />

große Vermögen zusammengerafft hatte, blieb er wegen seines<br />

großspurigen Lebenswandels ständig auf die finanzielle Unterstützung<br />

eines befreundeten Diplomaten und Geschäftspartners angewiesen<br />

(auch diesbezüglich also ein „Vorbild” für Marx). Erst als<br />

sein Freund und Partner die Bücher prüfte, versiegten Freundschaft<br />

und Finanzquellen sehr plötzlich. Saint-Simon, immer noch<br />

wohlhabend, aber nun ohne Diener, Koch und Kaltmamsell, beschloß,<br />

Philosoph zu wer<strong>den</strong>. Zu diesem Behuf lud er alle großen<br />

Gelehrten, deren er habhaft wer<strong>den</strong> konnte, zu üppigen Mahlzeiten<br />

in sein Haus ein. Professor von Hayek bemerkt zu diesem<br />

61

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!