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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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man nur dem Ende aller Erkenntnisfähigkeit gleichsetzen kann. (v.<br />

Hayek war die Widerlegung dieses geistigen Mülls ein ganzes<br />

Buch mit dem aufschlußreichen Titel „Mißbrauch und Verfall der<br />

Vernunft” wert 192 .) Doch wir wollen uns hier auf <strong>den</strong> Rechtspositivismus<br />

beschränken. Dieser hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts<br />

aufgemacht, <strong>den</strong> ganzen europäischen Kontinent zu erobern, um<br />

schließlich seine Hochblüte in <strong>den</strong> Reichsgerichten der Nationalsozialisten<br />

und in <strong>den</strong> Schauprozessen der stalinistischen „Säuberungen”<br />

zu erleben. Seine Kernaussage ist: Allein das von einem<br />

Gesetzgeber erlassene Gesetz ist Rechtswirklichkeit; es gilt ohne<br />

jede Rücksicht auf seinen beliebigen Inhalt als Recht. Jeder freiheitlich<br />

empfin<strong>den</strong>de Mensch muß bei einer solchen Definition erschaudern.<br />

Ihre Folgen für die Rechtswissenschaften sind <strong>den</strong>n<br />

auch schrecklich: Der bedeutende und einflußreiche Rechtsgelehrte<br />

an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert Rudolph von Jhering<br />

verstieg sich bei der Vergötzung des positiven Rechts so weit,<br />

daß er in seinem zweibändigen Lehrwerk „Der Zweck im Recht”<br />

schreiben konnte: „So wenig der Schatten vor dem Licht da war,<br />

so wenig die Willkür vor dem Recht. […] Der Neger, der von seinem<br />

Fürsten als Sklave [...] zur Feier eines Festes abgeschlachtet<br />

wird, empfindet das nicht als Willkür, sondern als bloße Tatsache,<br />

er sieht die Gewalt, die ihn vernichtet, nicht mit anderen Augen<br />

an, als wie wir <strong>den</strong> Orkan oder <strong>den</strong> Hagelschlag.” 193 Auch ein juristisch<br />

nicht ge- oder verbildeter Mensch erkennt unmittelbar, daß<br />

Jhering dem genannten „Neger” weniger Rechts- und Unrechtsempfin<strong>den</strong><br />

zugesteht als einem Hund, der sehr wohl ein Gespür<br />

dafür hat, ob er verdiente Strafe erleidet oder unverschuldet verprügelt<br />

wird. Doch Jhering verkündet: „Nun steht aber die gesetzgebende<br />

Gewalt nicht wie der Richter und die Regierung unter,<br />

sondern über dem Gesetz; jedes Gesetz, welches sie erläßt, wie<br />

immerhin auch sein Inhalt beschaffen sei, ist im Rechtssinn ein<br />

vollkommen legaler Act. Im juristischen Sinn kann die Gesetzgebung<br />

daher nie eine Willkür begehen [...]“ 194<br />

Jhering ist jedoch keineswegs nur ein „krasser Fall” in der<br />

Rechtslehre des beginnen<strong>den</strong> 20. Jahrhunderts. Sein nicht minder<br />

berühmter und einflußreicher Kollege Hans Kelsen weiß zu verkün<strong>den</strong>:<br />

Dem Satz ,The king can do no wrong‟ [dem die Theorie<br />

des Staates zu entsprechen habe] „ist nicht die Bedeutung beizulegen,<br />

daß Gesetzgebung und Verwaltung bemüht sein sollen, staatliches<br />

Unrecht zu vermei<strong>den</strong>, sondern die, daß die Jurispru<strong>den</strong>z in<br />

keinem Akte ein Unrecht des Staates erkennen darf. Ein Unrecht<br />

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