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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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Kopf auf einen Rumpf der Knechtschaft zu setzen.” 286 )<br />

Es ist hierbei – beim Sturz des alten Sozialismus – gleichgültig,<br />

welche Namen er sich gegeben hatte: ob Marxismus oder Kommunismus,<br />

ob Staats- oder Volkssozialismus, ob Staatskapitalismus<br />

oder Basisdemokratie, ob Planwirtschaft oder Arbeiterselbstverwaltung<br />

(Jugoslawien): Alles der gleiche kollektivistischtotalitäre<br />

Mummenschanz (wenn auch durchaus differenziert im<br />

Grad seiner mörderischen Dimensionen). Er, der „alte”, ist – hoffentlich<br />

für lange Zeit – gelähmt (sterben wird er nie). Doch wehe<br />

<strong>den</strong> Einfältigen, die glauben, er – der Sozialismus – sei tot. Er ist<br />

in Wirklichkeit das leuchtende Symbol für die unaufhörliche Reinkarnation<br />

der Dummheit, und der unübertreffliche Meister der<br />

theatralischen Verwandlungs-Maskerade. In welchen Gewändern<br />

und Verkleidungen hat er nicht schon die Menschen und Zeitalter<br />

verhext, betört und getäuscht: Der Frühsozialismus kam im Gewand<br />

der säkularisierten Paradies-Utopie daher, der Marx‟sche<br />

Sozialismus im Mantel der „wissenschaftlichen” Geschichts- und<br />

Gesellschafts-Erklärung, der Engels-Lenin‟sche in der Uniform<br />

des Weltrevolutionärs, der bolschewistische Sozialismus tanzte in<br />

<strong>den</strong> Schleiern des Frie<strong>den</strong>s (Kriegsmüdigkeit gegen Ende des Ersten<br />

Weltkriegs), der Bo<strong>den</strong>-Neuverteilung und des Internationalismus,<br />

der faschistische Sozialismus im braunen Hemd des Nationalismus<br />

und der rassischen „Erneuerung”, und der volksdemokratische<br />

im Gewand des antifaschistischen „Fortschritts”. Und<br />

längst hat sich der alte, der desavouierte und totgesagte, eine neue<br />

Kostümierung übergestülpt, um seinen nekromanischen Reigen<br />

weitertanzen zu können.<br />

Was nun ist das „Neue” am „neuen Sozialismus”? Während der<br />

„alte” das Schwergewicht seines Gaukel-Rituals auf <strong>den</strong> Produktionssektor<br />

legte (Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum),<br />

legt der „neue” dieses Gewicht auf die Verteilungsseite<br />

des Sozialprodukts. Sein Ornat heißt „Wohlfahrtsstaat”. In Wirklichkeit<br />

ist dieser neue Sozialismus – oder, wie ich ihn nenne, Sozialsozialismus<br />

– nicht neu, sondern so alt wie der „alte” Sozialismus<br />

in allen seinen Narrenkostümen oder Henkerskutten selbst. Neu ist<br />

an ihm nur die Bühne für seine Auftritte, sozusagen seine Schmieren-Kulisse.<br />

Während seine revolutionären Vorgänger pluralistische<br />

Demokratie (Parteienvielfalt und abwählbare Regierungen) ausschlossen,<br />

kratzt der gewandelte Nachfahre sich in dieselbe mit allen<br />

Grimassenkünsten eines verbalen Definitions-Hokuspokus geradezu<br />

ein. Demokratie ist in diesem Possenspiel möglich; je<strong>den</strong>-<br />

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