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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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lühender Gemeinschaften befähigt.” „Von Montaigne heißt es,<br />

daß er über die Fehler der Menschen recht gut unterrichtet, aber<br />

mit <strong>den</strong> Vorzügen der menschlichen Natur unbekannt war. Sollte<br />

von mir nichts Schlechteres gelten, so würde ich‟s wohl zufrie<strong>den</strong><br />

sein.” 90<br />

Das Wesentliche der Botschaft, die Mandeville am skandalösen<br />

Beispiel seiner fleißigen Bienchen übermitteln will, lautet: Der<br />

mächtigste Grundtrieb der Menschen ist (gleich dem aller anderen<br />

Lebewesen) der Selbsterhaltungstrieb. Unmittelbar damit einher<br />

geht die Eigenliebe. Alle anderen Triebe und Kräfte leiten sich<br />

hieraus ab. Die Vernunft ist nicht das wesentliche Merkmal der<br />

menschlichen Natur, sondern „Sklavin der Lei<strong>den</strong>schaften”. Verstand<br />

und Lei<strong>den</strong>schaften jedoch wirken gemeinsam zum Zweck<br />

der Selbsterhaltung zusammen. Mandeville weiter: Die „Gesellschaft”<br />

wird erst einer analytischen Betrachtung würdig, wenn<br />

sich eine große Zahl von Menschen Gesetze zum Schutz des Privateigentums<br />

gegeben hat und somit die Herausbildung von Arbeitsteilung<br />

möglich gewor<strong>den</strong> ist. (Der Begriff „Arbeitsteilung” –<br />

division of labour – stammt sehr wahrscheinlich von Mandeville.)<br />

Da Arbeitsteilung – so Mandeville – Arbeit für andere ist (aber für<br />

Zwecke der eigenen Subsistenz), kann Arbeit für andere aus eigenem<br />

Interesse nur entstehen, wenn andere diese Arbeit auch brauchen.<br />

Daher setzt eine funktionierende Gesellschaft eine Vielzahl<br />

verschie<strong>den</strong>er Bedürfnisse voraus. Deshalb – so Mandeville weiter<br />

– ist auch jede Art von Luxus und Verschwendung einzelner für<br />

die Gesamtheit von Nutzen, weil damit neue Bedürfnisse, neue<br />

Arbeit und neue Subsistenzmöglichkeiten entstehen. Umgekehrt<br />

schade nichts einer prosperieren<strong>den</strong> Gemeinschaft so sehr wie allgemeine<br />

Genügsamkeit. Private Laster, sagt Mandeville, sind öffentliche<br />

Vorteile. Und er gibt Beispiele:<br />

- Die Eitelkeit der Frauen schafft für viele Gewerbe der Kleidung<br />

und der Mode Arbeit und Brot,<br />

- die Trunksucht schafft Einkommen bei <strong>den</strong> Obstbauern, <strong>den</strong><br />

Schnapsbrennern und Händlern,<br />

- der Geiz sorgt für die notwendige Akkumulation des Kapitals,<br />

- die Verschwendungssucht beschleunigt <strong>den</strong> Zirkulationsprozeß.<br />

(Aber: Daß Mandeville das Laster als nützlich ansah, bedeutet<br />

nicht, daß er es gebilligt hätte. Die Nützlichkeit des Lasters,<br />

schrieb er, ändert nichts daran, daß es böse ist. Man muß ungezügelte<br />

Lei<strong>den</strong>schaften zurückdrängen, die gezügelten aber gleich-<br />

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