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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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Eine Theorie (Rechtspositivismus), die überall <strong>den</strong> Rechtsgedanken<br />

an die Gewalt ausgeliefert hat, ist zu bedeutsam, um sie<br />

nur kurz zu streifen. Wir müssen auch hier ein wenig tiefer greifen:<br />

Obwohl die Hochblüte des modernen Rechtspositivismus um<br />

die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert lag, ist seine Entstehungsgeschichte<br />

so alt wie die des systematischen Philosophierens<br />

überhaupt. So fin<strong>den</strong> sich Grundaxiome bereits in der Rechtslehre<br />

des alten China und im Sophismus des antiken Griechenland.<br />

(Thrasymachos: „Gerechtigkeit ist der Vorteil des Stärkeren”.)<br />

Daß er <strong>den</strong>noch seine freiheitszersetzende Kraft erst in der neueren<br />

Zeit voll entfalten konnte, beruht letztlich darauf, daß (mit einer<br />

großartigen Formulierung Ernst v. Hippels) in dieser aufklärerischen<br />

Epoche „die Urweisheit der Frühe verglimmt und nur das<br />

Diesseitige noch sichtbar bleibt”. 199 (Er – der Rechtspositivismus<br />

– ist also ganz deutlich ein Kind des hinreichend behandelten Hyperrationalismus.)<br />

In Deutschland wurde dieser einstufige Rechtsbegriff<br />

vor allem durch die Staats<strong>den</strong>ker Jhering und Kelsen, sowie<br />

durch v. Mohl, Windscheid, Laband, Jellinek und Radbruch<br />

verbreitet und gefestigt. Seine breiteste weltanschauliche Fundierung<br />

fand er im Marxismus und Kommunismus (Was im Interesse<br />

der Arbeiterklasse geschehen muß, ist gerecht), und in neuester<br />

Zeit im Sozialsozialismus Westeuropas (Was im Interesse des<br />

„Sozialen” geschieht, ist gerecht). Genau besehen liegt also dem<br />

Rechtspositivismus ein falscher Gerechtigkeitsbegriff zugrunde.<br />

Eines (von zweien) seiner Ur-Axiome besteht in der Annahme,<br />

„Gerechtigkeit” sei nicht objektiv definierbar. Da es <strong>den</strong> Rechtsphilosophen<br />

nicht gelungen war, positive (also positiv formulierbare)<br />

Kriterien für Gerechtigkeit zu fin<strong>den</strong>, schlossen sie daraus,<br />

daß es überhaupt keine objektiven Gerechtigkeitskriterien geben<br />

könne. Dieser Schluß ist jedoch falsch. Es gibt sehr wohl (negativ<br />

formulierbare) Prüfmaßstäbe für das Ungerechte – und somit auch<br />

objektive für das Gerechte. Anders gesagt: Wir können vor dem<br />

Hintergrund der überkommenen Regeln des gerechten Verhaltens,<br />

die das Ergebnis eines in Generationen gewachsenen Rechtsempfin<strong>den</strong>s<br />

sind, entschei<strong>den</strong> und artikulieren, ob und wann bestimmte<br />

Handlungen und Vorschriften ungerecht sind oder nicht. Nochmals<br />

anders formuliert: Wir können uns vermittels negativer (aber<br />

nichtsdestoweniger objektiver) Entscheidungskriterien sukzessive<br />

von der Ungerechtigkeit entfernen und somit der Gerechtigkeit<br />

nähern, auch wenn es nur eine negative Gerechtigkeits-Definition<br />

gibt, die – grob – lautet: Das Gerechtere einer Handlung oder ei-<br />

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