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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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Überzeugung (Einstellung), daß Erkenntnis – auch wissenschaftliche<br />

Erkenntnis – mit Hilfe der Ratio möglich ist. Von der rationalistischen<br />

Denkmethode her gilt es jedoch zu trennen: <strong>den</strong> Methodologischen<br />

Individualismus vom Methodologischen Kollektivismus:<br />

Ersterer geht davon aus, daß wir bei der Betrachtung der<br />

Welt und der „Gesellschaft” – vom Verständnis des Individuums<br />

ausgehend – ein Modell des Ganzen nur rekonstruieren können<br />

(also das, was wir sehen und vorfin<strong>den</strong>, gedanklich Stück für<br />

Stück zu einem größeren abstrakten Ganzen zusammenfügen können.)<br />

Letzterer (der Methodologische Kollektivismus) geht davon<br />

aus, daß man Welt und Gesellschaft nur als Ganzes anschaulich<br />

erfassen könne (und das ist falsch!). Der Methodologische Individualismus<br />

führt zur Philosophie des Kritischen Rationalismus<br />

(Popper), der weiß, daß die Vernunft stets begrenzt und selbst ein<br />

sich wandelnder und entwickelnder Teil des zu Betrachten<strong>den</strong> ist.<br />

Der Methodologische Kollektivismus führt zum Konstruktivistischen<br />

Rationalismus (eines Descartes, Hobbes und Leibniz), der<br />

annimmt, alle menschlichen Institutionen seien das Ergebnis bewußter<br />

Konstruktion (oder zumindest, bewußt und rational errichtete<br />

Institutionen seien besser als solche, die auf andere Weise<br />

entstan<strong>den</strong> sind). Descartes war bspw. der Ansicht, der Staat der<br />

Spartaner sei besser als der der Athener gewesen, weil ersterer<br />

„aus einem Guß” (rational als Ganzes geplant) gewesen sei; eine<br />

Auffassung, der schon Friedrich Schiller energisch entgegengetreten<br />

ist („Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon”). Die Gegenposition<br />

zum Konstruktivistischen Rationalismus ist also nicht<br />

Irrationalismus, sondern Kritischer Rationalismus!<br />

Meiner Ansicht nach (die sich bei Popper jedoch nicht findet)<br />

ist der Descartes‟sche Rationalismus methodologisch nicht so weit<br />

vom Kritischen Rationalismus entfernt wie es scheinen mag, sondern<br />

leidet mehr an einer in die Irre führen<strong>den</strong> Variante der (rationalistischen)<br />

Einstellung: dem Glauben, was nicht rational klar erkennbar<br />

sei, sei auch nicht wahr, sei falsch (was bei seinen Nachfolgern<br />

zu der noch verheerenderen Überzeugung geführt hat, alles<br />

was nicht rational erkennbar oder begründbar sei, sei nicht nur<br />

falsch, sondern auch unvernünftig). Der cartesianische Hyperrationalismus<br />

scheint mir deshalb treffender charakterisiert zu sein<br />

mit der Bezeichnung Rationalistischer Absolutismus (und der<br />

wiederum ist nicht weit vom Irrationalismus entfernt 57 ).<br />

Entschei<strong>den</strong>d für unsere weiteren Betrachtungen ist je<strong>den</strong>falls<br />

der Umstand, daß die Descartes‟sche Vernunfthybris in sehr ver-<br />

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