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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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Der Begriff der Gerechtigkeit erfährt so einen entschei<strong>den</strong><strong>den</strong><br />

und verhängnisvollen Wandel: „Gerecht” ist nicht mehr das, was<br />

anerkannten, für alle gleichmäßig gelten<strong>den</strong> Regeln entspricht,<br />

sondern das, was <strong>den</strong> von <strong>den</strong> Regierungsparteien gesetzten Zwecken<br />

„gerecht” wird. Und damit diese völlig pervertierte Version<br />

der „Gerechtigkeit” durchgesetzt wer<strong>den</strong> kann, muß das generelle<br />

Bemühen um Beschränkung und Kontrolle jeglicher politischer<br />

Gewalt aufgegeben wer<strong>den</strong>. Stattdessen muß <strong>den</strong> jeweiligen Regierungsparteien<br />

immer schrankenlosere Macht zugeschanzt wer<strong>den</strong>,<br />

damit sie die versprochenen Unrechtsprivilegien für ihre<br />

Wähler durchzusetzen vermögen.<br />

Dieser bis in sein Innerstes zerstörte Rechtsbegriff ist zutiefst<br />

konstruktivistisch und führt unmittelbar zur Vorstellung, alles das<br />

– und nur das – sei Recht, was ein Gesetzgeber erlassen hat, und<br />

deshalb müsse es auch (im Hobbes‟schen Sinne) einen obersten<br />

unbeschränkten Gesetzgeber geben. In Wirklichkeit ist diese erbärmlich<br />

degenerierte und totalitäre Auffassung nur der verkommene<br />

Rechtsbegriff selbstsüchtiger Wählergruppen und machtbesessener<br />

Funktionärscliquen. Diese Polit-Kaste versteht sich dann<br />

– Rousseau redivivus – als höchste und höchstlegitimierte Vollstreckungsautorität<br />

für <strong>den</strong> Volkswillen – und wird auch vom<br />

Stimmvieh so eingeschätzt. Ein teuflisch ausgerollter roter Teppich<br />

am Eingang zum Reich der Sklaverei, <strong>den</strong>n höchste gesetzgeberische<br />

Legitimität kann niemals ein Wille sein (weder ein<br />

Einzel-, noch ein Regierungs-, noch ein Volkswille), sondern einzig<br />

und allein das in einer Gemeinschaft vorherrschende Empfin<strong>den</strong><br />

über die Gerechtigkeit tradierter allgemeiner Rechtsregeln.<br />

Einen Unrechtsstaat – gegen dieses Rechtsempfin<strong>den</strong> – kann<br />

man nur auf zwei Wegen errichten: entweder mit nackter Gewalt –<br />

oder aber, indem organisierte Gruppen (z. B. Parteien), Syndikate<br />

(z. B. Gewerkschaften) und Massenmedien mit unablässiger Indoktrination<br />

und Propaganda ans Werk gehen, das uralte Rechtsgespür<br />

zu diskriminieren, die Begriffe „Recht” und „Gerechtigkeit”<br />

auszuhöhlen und mit verführerischen Inhalten neu zu füllen<br />

(neudeutsch: zu „besetzen”). Ein einzigartiger Propaganda-Trick<br />

und ein unschlagbares Hilfsmittel hierzu ist das Präfix „sozial”:<br />

Wenn sich Gerechtigkeit zu „sozialer Gerechtigkeit” gewandelt<br />

hat (Zwischenfrage: Was ist eigentlich „unsoziale” Gerechtigkeit?),<br />

dann ist sie eine leere Worthülse für beliebigen Mißbrauch,<br />

und wenn aus „Verantwortung” eine „soziale Verantwortung” gewor<strong>den</strong><br />

ist, dann ist sie niemandes Verantwortung mehr. Sie ist<br />

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