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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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Arbeiter essen gemeinsam (frei nach dem Patent: wo man ißt gemeinsam<br />

Brot, ist zu Ende alle Not. – Macht ja auch viel mehr<br />

Spaß!). Außerdem liegen die fetten Würste und strammen Kohlköpfe<br />

ja sowieso im großen Magazin, wohin sie die Agrar-<br />

Osmasien geliefert haben. Aus deren „Überschüssen” selbstverständlich,<br />

die ja stets reichlich „anfallen”. Es gäbe noch viel zu berichten<br />

aus Happy-Sevaramboland, aber ich glaube, es sollte ausreichen,<br />

uns auf <strong>den</strong> nächsten Märchen-Onkel neugierig gemacht<br />

zu haben: auf Jean Meslier (1664-1729). Meslier, der zu seinen<br />

Lebzeiten nie mit einer Schrift in die Öffentlichkeit getreten war,<br />

hat ein mit „Testament” überschriebenes Werk hinterlassen, das<br />

erst um 1850 von Voltaire und <strong>den</strong> Enzyklopädisten aufgefun<strong>den</strong><br />

und in Auszügen veröffentlicht wor<strong>den</strong> ist. Mesliers Utopie wird<br />

darin nur kurz dargestellt; der überwiegende Platz wird der Kritik<br />

an <strong>den</strong> Zustän<strong>den</strong> des Ancien Régime eingeräumt und enthält<br />

Mesliers atheistische, materialistische und kommunistische Doktrinen<br />

in extrem scharfer Diktion. Seine Haßtira<strong>den</strong> wären durchaus<br />

eines Goebbels würdig. Sein metaphysischer und anthropologischer<br />

Materialismus (sogar die Seele definiert er als ein aus der<br />

Bewegung kleinster Materieteilchen herrührendes physikalisches<br />

Phänomen) wird (für spätere Theoretiker) zur Grundlage einer<br />

langen materialistischen Philosophie-Tradition. Seine Gesellschafts-<br />

und Staatsutopie malt er in <strong>den</strong> Umrissen eines primitiven<br />

Agrarsozialismus, ohne im Detail auf dessen ökonomische Gestaltung<br />

einzugehen. Auch er – wie schon Vairasse – verbindet die<br />

rechtliche Gleichheit der Menschen mit der materiellen, welche er<br />

durch gesellschaftliches Alleineigentum und gleiche Verteilung<br />

der daraus fließen<strong>den</strong> Erträge gewährleistet sieht. Die falsche Frage:<br />

„Wer soll herrschen?” (siehe Kapitel V dieses Buches), deren<br />

Keim schon Platon in der antiken Welt gelegt hat, wird bei Meslier<br />

– wie bei vielen Sozialisten, bis hin zur schönen Neuzeit – mit<br />

der Antwort gelöst: die Weisesten und Ältesten. Ihnen haben sich<br />

die einzelnen Glieder des Gemeinwesens streng unterzuordnen,<br />

damit Produktion und Verteilung „gerecht” erfolgen können. Der<br />

,Gemeinsame Nenner des Schreckens‟ zur Lösung des Unlösbaren,<br />

der als roter Fa<strong>den</strong> durch alle sozialistischen Horror-<br />

Paradiestheorien zieht, findet sich natürlich auch bei Meslier: Die<br />

„Gesellschaft” übernimmt die Erziehung der Kinder zu wahrhaft<br />

kommunistischen Menschen, <strong>den</strong>n nur durch „Erziehung zur<br />

Gleichheit” kann der „gleiche Mensch” geformt wer<strong>den</strong>, der gar<br />

nichts anderes mehr will als „gleich” zu sein. Es ist das ewig alte<br />

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