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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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„Wer das Beste zum Werk machen<br />

will, scheitert; wer das Bessere zum<br />

Werk macht, dem wird es gelingen.”<br />

Max Müller 64<br />

2. Die Saat geht auf: Der rationalistische Gesellschaftsentwurf als<br />

Horror-Science-Fiction<br />

Kaum hatte der Mensch die Überzeugung gewonnen, er könne die<br />

Welt mit Hilfe seines Verstandes restlos durchdringen und enträtseln,<br />

da drängte es ihn auch schon übermächtig, sie von Grund auf<br />

zu „verbessern” und neu zu entwerfen. Das Zeitalter der Sozialingenieure,<br />

Gesellschafts-Klempner und Staatsvisionäre brach an.<br />

Das Nirgendland (Utopia) des Thomas Morus (1516) sollte aus<br />

dem Reich der Träume auf die Erde geholt wer<strong>den</strong>, neu – mit aufgeklärtem<br />

Verstand – gestaltet, und ohne <strong>den</strong> alten Mann mit dem<br />

Rauschebart. Ohne Gott also; unterworfen einzig der neuen Göttin:<br />

der Vernunft. Der Verstand kreißte und gebar seinen schrecklichsten<br />

Balg: <strong>den</strong> „modernen” Sozialismus.<br />

Der moderne Sozialismus („modern” nur im Sinne eines zeitlichen<br />

Abstands zu antiken Frühformen) hat zwei literarische Quellen:<br />

Zum einen <strong>den</strong> sogenannten Utopischen Sozialismus des späten<br />

17. und frühen 18. Jahrhunderts in Frankreich, zum anderen<br />

<strong>den</strong> sogenannten „wissenschaftlichen” oder evolutionistischen Sozialismus<br />

Marx‟scher Prägung. Letzterer steht nicht im Widerspruch<br />

zum utopischen Vorgänger, sondern schließt diesen ein,<br />

<strong>den</strong>n beide halten eine sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform<br />

für besser, edler, moralischer und effektiver als die<br />

jeweils vorgefun<strong>den</strong>en oder <strong>den</strong>kbaren anderen Varianten; letzterer<br />

geht nur insofern über ersteren hinaus als er die „Höherentwicklung”<br />

der Menschheit – hin zum Sozialismus – nicht (oder<br />

nicht nur) in Abhängigkeit vom aktiv gestalterischen Willen der<br />

Menschen sieht, sondern als naturnotwendigen historischen Prozeß.<br />

Marxisten jedoch, die erklärten ebenso wie die heimlichen,<br />

zeichnen sich – wie ihr Stammvater selbst – dadurch aus, daß sie<br />

die sozialistischen Schriftsteller des 17. und frühen 18. Jahrhunderts<br />

verächtlich als „Utopisten” vom Diskussionstisch wischen.<br />

In Wirklichkeit haben Marx und seine Epigonen sehr wohl maßgebliche<br />

Wurzeln im Ideengut und in <strong>den</strong> Denkmustern jener ersten<br />

Generation. Die vorgetäuschte Verachtung hat natürlich ihren<br />

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