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Kreide-fuer-den-Wolf_Roland-Baader

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nen zu wollen, was er klar und deutlich erkennen könne, und alles<br />

andere dem radikalen Zweifel auszuliefern, ist zwar nicht i<strong>den</strong>tisch<br />

mit der Restriktion, wahr oder richtig sei nur, was sich rational<br />

erklären oder begrün<strong>den</strong> lasse, kommt dem aber sehr nahe –<br />

und somit dem, was Friedrich A. von Hayek (wiederum mehr als<br />

drei Jahrhunderte später) „the fatal conceit”, die „verhängnisvolle<br />

Anmaßung” nennen wird (mit der wir uns noch ausführlich beschäftigen<br />

wer<strong>den</strong>).<br />

Die rationalistische Vermessenheit, die Hybris der Vernunft im<br />

Denken des großen Renatus Cartesius, birgt drei gefährliche Botschaften:<br />

1. Die Überschätzung des Verstandes, <strong>den</strong> er nicht nur zweckrational<br />

einsetzen wollte (also zur Beantwortung der Frage: Wie<br />

läßt sich wissenschaftliche Erkenntnis auf die Wirklichkeit<br />

anwen<strong>den</strong>?), sondern mit dessen Hilfe er auch letzte Zwecke<br />

erkennen zu können glaubte.<br />

2. Seine rationalistische Wissenschaftskonzeption: Die Annahme,<br />

daß alle wissenschaftlichen Erkenntnisse <strong>den</strong> Charakter notwendiger<br />

Wahrheiten haben und absolut unbezweifelbar sein<br />

müssten, und<br />

3. sein erkenntnistheoretischer Dogmatismus, <strong>den</strong> <strong>Wolf</strong>gang Röd<br />

mit dem Satz charakterisiert: „Die Annahme, daß alles das tatsächlich<br />

zum Wesen einer Art von Dingen gehört, was wir klar<br />

und distinkt als zu ihrem Wesen gehörig erkennen.” 54<br />

Als gefährlicher aber sollte sich die Botschaft erweisen, die nur<br />

unausgesprochen hinter allen anderen versteckt ist – und doch von<br />

Generationen nachfolgender Denker (leider) verstan<strong>den</strong> wor<strong>den</strong><br />

ist: „Weil alles prinzipiell dem Verstand zugänglich ist, ist alles<br />

auch in sich ,verständig‟, also verstandes- oder vernunftgeboren.”<br />

Oder noch schlimmer: „Was nicht vernünftig oder der Vernunft<br />

zugänglich (rational erklärbar) ist, ist falsch und unvernünftig.”<br />

Ein grandioser Irrtum! Freilich dürfen wir nicht übersehen, daß<br />

das Motiv Descartes‟ von zeitloser Gültigkeit für alles Philosophieren<br />

bleibt: Das Vermei<strong>den</strong> dessen, was der blitzgescheite<br />

französische Philosoph André Glucksmann <strong>den</strong> „Inzest des Denkens”<br />

nennt: „Du sollst die Ideen nicht nur deswegen schön fin<strong>den</strong>,<br />

weil es die deinen sind. Du sollst nicht sagen, sie seien wahr<br />

und gut, weil du selbst sie ausgesprochen hast.” 55<br />

Jedoch: Trotz der welthistorisch herausragen<strong>den</strong> Bedeutung des<br />

großen Denkers, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Vielleicht<br />

trifft die Formulierung Rainer Spechts am besten dieses „Bittere”,<br />

48

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