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Viele Ratsuchende aus dem psychosozialen „Dunkelfeld“, die in ihrer Biografie zwar sexuelle<br />
Übergriffe und sexuelle Gewalt erlebt haben, diese aber zum Teil bis ins Erwachsenenleben<br />
verdrängen und/oder gemeinsam mit ihrer Umwelt tabuisieren mussten,<br />
kommen häufig wegen „anderer“ meist komplexer psychosozialer und psychosomatischer<br />
Problemlagen in Beratungsstellen. Die Mehrzahl dieser „verdeckten“ Betroffenen von sexueller<br />
Gewalt ist von einer Kombination traumatischer sozialer, körperlicher und seelischer<br />
Belastungen betroffen und von weiterer Ausgrenzung bedroht. Diese Ratsuchenden<br />
bedürfen einer kompetenten Notlagenberatung im Rahmen vielfältiger Beratungsangebote,<br />
die ihnen nutzerfreundliche, aber differenzierte „Hilfe aus einer Hand“ anbieten. Dafür<br />
sind psychosoziale Beratung, psychotherapeutische Begleitung und soziale wie materielle<br />
Unterstützung in das jeweilige Beratungsangebot zu integrieren.<br />
Damit Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, Beratungsangebote in Anspruch<br />
nehmen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Bedarfslagen der Betroffenen<br />
und ihres Umfelds/ihrer Familien sind sehr vielfältig. Verschiedene Gruppen von Nutzerinnen<br />
und Nutzern haben unterschiedliche Anliegen, Bedarfe und Ansprüche an das<br />
Hilfesystem.<br />
2. Angebotsprofile<br />
Der oben beschriebenen Notwendigkeit zur Differenzierung wurde bereits im Aktionsplan<br />
der Bundesregierung Rechnung getragen: „Eine Beratung und Therapie kann (…) nur gut<br />
und erfolgreich sein, wenn sie den individuellen Bedürfnissen derer, die solche Angebote<br />
in Anspruch nehmen, gerecht werden kann. Nur ein differenzierter Ansatz und genügend<br />
Behandlungs- und Therapieplätze können dem Bedarf hier gerecht werden. (…) Besonders<br />
wichtig sind in diesem Zusammenhang niederschwellige Beratungsangebote und<br />
Anlaufstellen für Kinder, die Opfer von sexueller Gewalt wurden sowie für deren Umfeld<br />
und die Eltern.“ (2003: 16f.)<br />
Beratungsangebote für Betroffene von sexueller Gewalt müssen also so ausgestaltet sein,<br />
dass sie zu dem, was Betroffene und deren Umfeld/Familien von ihnen erwarten, „passen“.<br />
Die beschriebenen Schwierigkeiten im Hilfesuchprozess und die Heterogenität der<br />
Bedarfslagen machen daher zumindest dreierlei erforderlich:<br />
<br />
<br />
<br />
Vielfalt von Zugangswegen;<br />
Vielfalt von Methoden;<br />
Vielfalt potenziell hilfreicher Kooperationskontakte.<br />
Zugangswege: Wie oben dargestellt, ist die Betroffenheit von sexualisierter Gewalt nicht<br />
als Erkrankung anzusehen, deren Behandlung als Folge des subjektiven Leidensdrucks<br />
der Betroffenen eingeleitet wird. Sexualisierte Gewalt geschieht hauptsächlich im Dunkelfeld<br />
und sie führt daher zu „Koalitionen des Verschweigens“ (Lenz, 2000, S. 55), die die<br />
Not der Betroffenen ebenso verdecken wie das Ausmaß des Problems und die Erfordernisse<br />
an eine Infrastruktur für Hilfeleistungen. Spätestens mit Bekanntwerden der Vielzahl<br />
von Fällen sexueller Gewalt in institutionellen Kontexten Anfang des Jahres 2010 ist deutlich<br />
geworden, dass „Koalitionen des Verschweigens“ einerseits extrem hartnäckig sein<br />
können, andererseits aber auch durchbrochen werden können, sobald eine öffentliche<br />
Thematisierung vorangetrieben wird. Im Unterschied zu anderen psychosozialen Hilfen<br />
müssen Beratungsstellen für Betroffene von sexueller Gewalt offensiv ausgerichtet sein.<br />
Das heißt, sie müssen Signale senden, Kanäle ins Dunkelfeld legen und aktiv Anreize für<br />
Aufdeckungsprozesse lancieren. Für die Gestaltung von Zugangswegen heißt dies: „technologische“<br />
Vielfalt (z. B. Zugang über Internetforen, telefonische Helplines, Onlineberatung),<br />
„methodische“ Vielfalt (z. B. Geh-Struktur, nachgehende Arbeit) und „Informationsvielfalt“<br />
(z. B. durch Fortbildungs- und Präventionsmaßnahmen).<br />
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