Inhalt - hpd
Inhalt - hpd
Inhalt - hpd
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6. Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
Besonderer Berücksichtigung bedarf die Schweigepflicht, die für präventive Maßnahmen<br />
im Rahmen des Kinderschutzes zentrale Bedeutung hat. Dies ist auch deshalb hervorhebenswert,<br />
weil durch die neuen Kinderschutzgesetze – bei Fehlen einer bundeseinheitlichen<br />
Regelung – nur bedingt eine höhere Handlungssicherheit für Angehörige der Gesundheitsberufe<br />
entstanden ist (vgl. Kemper et al. 2010).<br />
Bereits in der diagnostischen Phase ist ein vollständiger Vertrauensschutz erforderlich,<br />
auf den sich die Betroffenen verlassen können müssen, da sie eine enorme Angst vor<br />
sozialer Stigmatisierung haben. Dies gilt umso mehr bei Vorliegen einer sexuellen Präferenzstörung:<br />
Die Sorge der Betroffenen, sozial ausgegrenzt zu werden, wenn bekannt<br />
würde, dass sie eine pädophile Neigung aufweisen, ist im Übrigen berechtigt.<br />
In Deutschland gilt unter ambulanten Behandlungsbedingungen grundsätzlich die<br />
Schweigepflicht (§ 203 StGB: „Verletzung von Privatgeheimnissen“ – Freiheitsstrafe bis<br />
zu einem Jahr oder Geldstrafe), die auch Mitteilungen über sexuelle Missbrauchshandlungen<br />
einschließt (eine explizite Ausnahme gibt es nur bei der Behandlung bereits verurteilter<br />
Straftäter im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68a Abs. 8 StGB).<br />
Die unbegrenzt geltende Schweigepflicht unter ambulanten Bedingungen bezieht sich<br />
dabei auch auf zukünftige sexuelle Übergriffe auf Kinder, da diese nicht im § 138 StGB<br />
(„Nichtanzeige geplanter Straftaten“) aufgeführt sind – im Gegensatz zu u. a. schwerem<br />
Menschenhandel, Mord, Totschlag oder Straftaten gegen die persönliche Freiheit (deren<br />
Nichtanzeige dann strafbar wäre).<br />
Zwar besteht die Möglichkeit unter Verweis auf § 34 StGB („Rechtfertigender Notstand“),<br />
die Schweigepflicht zu brechen und eine Anzeige zu erstatten, wenn im Rahmen eines<br />
ambulanten Behandlungsverhältnisses der Therapeut davon überzeugt ist, dass sein Patient<br />
eine sexuelle Missbrauchshandlung begehen wird. Er kann sich dann darauf berufen,<br />
dass bei Abwägung der widerstreitenden Interessen für ihn das bedrohte Rechtsgut (der<br />
Missbrauch eines Kindes) das beeinträchtigte Interesse (die Schweigepflicht) überwiegt.<br />
Dies gilt allerdings laut Gesetzestext nur dann, wenn die Anzeige „ein angemessenes<br />
Mittel ist, die Gefahr abzuwenden“. Dies ist schon deshalb zu bezweifeln, weil der Angezeigte<br />
jede Tatmotivation leugnen wird und sich auf dieser Basis ein dauerhafter Freiheitsentzug<br />
nicht begründen lässt.<br />
41