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Oasen im Beton. Urban Gardening als Instrument zur Attraktivierung ...

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Konzepte und Inhalte des <strong>Urban</strong> <strong>Gardening</strong> 29<br />

Die miserablen Wohn- und Hygieneverhältnisse der arbeitenden Klasse forderten einen hohen Tribut an<br />

Arbeitsproduktivität, es folgten Streiks und Unruhen (vgl. Fürst et al. 1999: 17). Eine Neuorganisation der<br />

Stadt wurde unabdingbar. (oward erkannte zwar den „Verstädterungsprozeß [sic] <strong>als</strong> unvermeidliche<br />

Entwicklung“ (ebd.: 18) an, erarbeitete aber <strong>als</strong> Lösung der Probleme die Trennung städtischer Funktionen<br />

(Arbeiten, Wohnen, Freizeit) und eine geringere Siedlungsdichte. Die Funktionsbereiche wurden in<br />

(owards Modell von „landwirtschaftlichen Gürteln umschlossen, die ökonomisch eng mit der Stadt verflochten<br />

sind.“ (Lohrberg 2011: 144)<br />

Auf dem Agrargürtel werden Lebensmittel (auch) für die Stadt produziert, wo Landwirte einen guten Absatzmarkt<br />

ohne große Transportkosten vorfinden. Die Stadt kann wiederum „Abfallstoffe“ an die Agrarflächen<br />

abgeben, womit diese die „Fruchtbarkeit erhöhen“ Lohrberg : . Zahlreiche Stadtmodelle<br />

bezogen sich in der Folge auf die Gartenstadt, die seit ihrer Veröffentlichung bis heute große Bekanntheit<br />

genießt (vgl. Fürst et al. 1999: 18; Lohrberg 2011: 144). Umgesetzt wurde das Modell vor allem in Frankreich,<br />

England und Deutschland. Dort wurde 1908 in der Nähe von Dresden die Gartenstadt Hellerau errichtet,<br />

die heute ein Stadtteil Dresdens ist. In den meisten Fällen wurde Howards Idee jedoch lediglich in<br />

Form von Gartenvorstädten umgesetzt. Es entstanden dagegen nur wenige ganze Gartenstädte. Zu diesen<br />

zählen Letchworth und Welwyn Garden City in England, die Howard 1903 bzw. 1919 selbst mit gründete<br />

(vgl. Website Klett).<br />

Ähnlich wie Howard entwarf auch der Franzose Tony Garnier <strong>im</strong> Jahre 1904 seinen Plan für eine künftige<br />

Stadt, die durch eine Trennung der Nutzungen charakterisiert war. In Garniers ‚Cité Industrielle sollten<br />

diese Trennungen durch landwirtschaftliche Nutzflächen, Grünbereiche und Verkehrsflächen erfolgen.<br />

Anders <strong>als</strong> Howard sah Garnier die industrielle Produktion <strong>als</strong> zentrales Element einer Stadt und glaubte,<br />

dass die Städte der Gegenwart und Zukunft abhängig von deren Existenz seien (vgl. Fürst et al. 1999: 23f).<br />

Eine konkrete Nutzung von innerstädtischen Flächen <strong>zur</strong> Produktion von Nahrungsmitteln fand zu dieser<br />

Zeit jedoch nicht statt. Vielmehr lag der Fokus der <strong>im</strong> Kaiserreich um 1900 etablierten Freiraumplanung<br />

auf der Gestaltung von Landschaftsgärten, die für Sport und Spiel genutzt wurden und in denen die Natur<br />

<strong>als</strong> gepflegter Park zu erleben war. Eine Verwendung von Freiflächen <strong>als</strong> Äcker war nicht angedacht (vgl.<br />

Lohrberg 2011: 144). Garnier bekam zwar nie die Gelegenheit, sein Modell in Form einer kompletten<br />

Stadt zu realisieren, allerdings gelang ihm das zumindest in Teilen. Zum Beispiel wurde 1928 <strong>im</strong> lyoneser<br />

Stadtviertel Etats-Unis die nach ihm benannte Tony-Garnier-Siedlung gebaut (vgl. Gößl 2012: 17f).<br />

<strong>Urban</strong>e Landwirtschaft <strong>als</strong> Quelle der Nahrungsmittelproduktion<br />

Diese Vorstellung änderte sich durch die krisenhaften Erfahrungen des ersten Weltkrieges, <strong>als</strong> Nahrungsmittelengpässe<br />

in den Städten die Planung zu einem Umdenken zwangen. So war die Stadtplanung der<br />

1920er Jahren sehr geprägt von Ideen der Nahrungsmittelproduktion <strong>im</strong> urbanen Raum. Paul Wolf, Architekt,<br />

Stadtplaner und Stadtbaurat, konstatierte 1922:<br />

„(aben wir aber vor dem Krieg angestrebt, dieses Freiflächennetz <strong>als</strong> Erholungsparks und Spielplätze<br />

auszubilden, so werden wir heute, unter dem Drucke der wirtschaftlichen Verhältnisse und dem Hunger<br />

nach Gartenland andererseits, an Stelle der Erholungsparkanlagen Nutzgärten annehmen m“ssen.<br />

(Wolf 1922/23 in Lohrberg 2001: 28)

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