TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV
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Die dritte Quelle ging an der Legalität<br />
vorbei: Ein- oder zweimal im Monat<br />
verkauften wir auf dem Wochenmarkt in<br />
Kalthof Erzeugnisse aus der Landwirtschaft.<br />
Unsere Kunden waren fast ausschließlich<br />
Käufer aus Marienburg. Sie kauften im<br />
Freistaat günstiger ein als in Deutschland.<br />
Lebensmittel lagen im Freistaat 20 bis 300/0<br />
unter dem Preisniveau im Deutschen Reich.<br />
Das Marktgeschäft florierte; wir konnten<br />
sicher sein, daß unser Angebot restlos den<br />
Besitzer wechselte.<br />
Auf dem Rückweg hatten die Marienburger<br />
wieder die Zollstation an der Nogatbrücke<br />
zu paSSIeren. Diesmal achteten die<br />
deutschen Zöllner auf eine nicht zu große<br />
Einfuhr von Lebensmitteln ins Deutsche<br />
Reich. - Es kann nur so gewesen sein, daß die grenznahen deutschen Ortschaften im Kleinen<br />
Grenzverkehr (zum Beispiel) Lebensmittel in kleinen Mengen einführen durften.<br />
Die Käufer aus Marienburg bezahlten ihren Einkauf lieber in Reichsmark als in Gulden - was uns<br />
nur recht sein konnte. Diese Reichsmarkbeträge wurden nicht dem Portemonnaie anve.rtraut, das<br />
deutsche Geld wanderte in die Fupp! (Fupp ist die ostdeutsche Benennung für Hosen- und<br />
Manteltaschen.-) ..<br />
Nach Marktschluß, beim Einkauf in Marienburg kam dann die Reichsmark Zlm1 Vorschein!<br />
Devisenschmuggel nennt man das!<br />
Das Schmuggeln<br />
. Der Einkauf im Deutschen Reich war ja nicht verboten, die Freistädter hätten nach dem Einkauf in<br />
Marienburg auf dem Zollamt in Kalthof die Einfuhrzollgebühr entrichten können - das heißt<br />
müssen. Aber damit hätte sich der im Reich höhere Warenpreis weiter erhöht. Bei allen<br />
Erwägungen - deutsche Qualität mußte es sein! Also schmuggeln!<br />
Ein Unrechtsbewußtsein bestand nicht. Vor Augen hatte unsere Großeltem- und Elterngeneration<br />
das 1920 an uns vermeintlich begangene Unrecht: "Ohne Volksbefragung hat man uns von<br />
Deutschland abgetrennt!"<br />
In unmittelbarer Nähe von Danzig in west- und ostpreußischen Gebieten hatten die Siegermächte<br />
von 1918 Volksbefragungen zugelassen mit der Frage: entscheidet sich die Mehrheit (der einzelnen<br />
<strong>Kreis</strong>e und Städte) für Deutschland oder für Polen? Das Ergebnis ist bekannt: In allen<br />
Stimmbezirken entschieden sich die Bürger mehrheitlich für Deutschland.<br />
Für Danzig gab es keine Volksbefragung, das leuchtete der Bevölkerung nicht ein. In der Danziger<br />
Tageszeitung "Der Danziger Vorposten" konnte man im Kopf der Zeitung täglich lesen: Zurück<br />
zum Reich 0 Gegen vertragliche Willkür!<br />
Also wurde geschmuggelt, und jeder geglückte Erfolg hatte eine, wenn auch kleine, politische<br />
Bedeutung. Es wurde geschmuggelt, daß sich die Balken bogen - oder auch brachen? Ja, Balken<br />
brachen! Damit meine ich die Schmuggelgeschichten, die von Kaffeetisch zu Kaffeetisch blumiger<br />
formuliert zu Gehör gebracht wurden, der Ablauf riskanter werdend, der Erfolg auf Messers<br />
Schneide stehend, und die letztendlich - und das war vorauszuahnen - zum großen Erfolg geführt<br />
haben. Dröhnendes Lachen belohnte den Vortrag. Hätte es nach 1920 Wilheln1 zwo als Monarchen<br />
noch gegeben, wäre die Hymne "Heil dir im Siegerkranz" wahrscheinlich erklungen.<br />
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