TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV
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Viele Familien und Verwandte waren auseinandergerissen, Männer gefallen oder in<br />
Gefangenschaft. Von meinem Vater hatten wir zu dieser Zeit noch kein Lebenszeichen erhalten. Im<br />
Herbst1945 hatten wir uns mit den Großeltern wiedergefunden. Großvater war es gelungen ein<br />
Haus in "Holm" , das ist ein Ort an der Elbinger Weichsel, ausfindig zu machen. Dort holte er<br />
unsere Familie hin. Von den anderen Leuten in Neustädterwald haben wir uns verabschiedet. Die<br />
neue Bleibe bewohnten wir zusammen mit der Familie Artur Timm, Vater mit sechs Kindern. Die<br />
Frau war gestorben. Meine Großmutter entschied sich, mit einer Tante in Richtung<br />
Westdeutschland auszuwandern, während der Großvater mit uns noch bis Januar 1947 hierblieb.<br />
Auf Grund seines Alters war er vom Militärdienst freigestellt worden. Da seine drei Söhne im Krieg<br />
gefallen waren, übernahm er die Vaterrolle und sorgte für uns.<br />
Das größte Problem war, daß es weder Geld noch Geschäfte gab. Auch wir Kinder mußten tüchtig<br />
mit anpacken, sei es Brennholz machen, Körner verlesen u.s.w., um einigermaßen zu überleben.<br />
Dazu kam, daß durch den Krieg die Feld- und Gartenbestellung ausgeblieben waren. Unsere<br />
Nahrung war selbst gebackenes Brot aus Gersten- und Schweinebohnenschrot. Das war eine<br />
klitschige Masse von einer harten Kruste umgeben. Die Stullen bekam jeder zugeteilt. Ein selber<br />
Bedienen gab es nicht, da sich Opa immer ein Zeichen mit dem Daumen machte. Als Brotaufstrich<br />
gab es Rübenmarmelade. Das Mittagessen bestand meistens aus Schweinebohnen, immer im<br />
Wechsel, einen Tag Bohnen und den nächsten Bohnenpüree mit einem kleinen Schuß Rapsöl. Es<br />
guckten immer mehr Augen hinein als Fettaugen heraus. Butter und Margarine kannten wir zu der<br />
Zeit nicht. Wir waren ziemlich ausgehungert. Ich habe den einen Satz, den Opa einmal sagte noch<br />
heute im Ohr, der da lautet:<br />
"So vel we de Harta at, at nich Mutter und Ida tob".<br />
Was in Hochdeutsch heißt:<br />
"So viel wie meine Schwester Herta ißt, ißt nicht Oma und Tante Ida zusammen".<br />
Ende 1945 waren die Russen fast alle wieder abgezogen und die Polen hatten die Herrschaft<br />
übernommen. Sie gingen öfter von Haus zu Haus und plünderten. Großvater hatte im Keller noch<br />
zwei Hühner versteckt, die wurden auch mitgenommen.<br />
Auch das Dorf Altebabke in dem meine Großeltern eine Landwirtschaft betrieben hatten, war vom<br />
Hochwasser betroffen. Dort stand das Wasser noch höher als in Neustädterwald. Opa hatte dort<br />
noch bevor die Russen kamen, eine größere Menge Getreide versteckt. Eines Tages machten wir<br />
uns auf den Weg, um nachzusehen ob die Körner schon jemand gefunden hatte. Dort kam man auch<br />
nur mit den1 Kahn hin. Es war eine ziemlich große Entfernung dort hin zu rudern. Unterwegs kam<br />
auf einmal ein Sturm auf, so daß die Koppelpfähle durch die Wellen schlecht zu sehen waren. So<br />
geschah es, daß wir mit unserem Kahn auf so einem Pfahl aufgesessen sind. Großvater und ich<br />
waren weit von irgend welchen Helfern entfernt. Es gelang uns aber doch, durch vorsichtiges hinund<br />
herschaukein wieder frei zu kommen. Der Sturm wurde so heftig, daß wir wieder umdrehen<br />
mußten. Wir wiederholten dann die Tour bei besserem Wetter noch einmal. Das Getreide hatten<br />
schon andere geholt.<br />
Der Winter 45/46 war sehr kalt und die Weichsel hatte eine tragende Eisdecke. Da es in unserer<br />
Gegend keinen Wald gab, war die Brennholzbeschaffung sehr schwierig. Um die Wohnung<br />
einigermaßen warm zu bekommen, wurden eingefallene Scheunen oder Schuppen abgerissen und<br />
zerkleinert. Kohlen waren auch nicht da. Als wir den Winter hungernd und frierend überstanden<br />
hatten, mußten auch wir Kinder mithelfen, ein Stück Land umzugraben, das wurde dann mit<br />
Kartoffeln und Kom bestellt. Die Saatkartoffeln waren so klein wie Murmeln. Im Garten wurde<br />
etwas Gemüse angebaut.<br />
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