TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV
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Dörfer Stuba, Zeyer und Zeyervorderkampen. Der Aufenthalt in diesen Orten war immer nur ein<br />
paar Tage. In Elbing waren wir dann bis zum Kriegsende am 8. Mai. Hier machte und der Hunger<br />
ganz schön zu schaffen. In den Dörfern fand man doch eher noch etwas Eßbares. In den verlassenen<br />
Wohnungen stöberten wir herum, um vielleicht etwas Mehl oder Haferflocken für eine<br />
Wassersuppe zu finden. Irgendwo lag ein verendetes Pferd, von dem sich jede Familie ein Stück<br />
abschnitt, um etwas im Kochtopf zu haben. Meine Mutter wurde manches mal mit anderen Frauen<br />
von den Russen zur Arbeit geholt. Von dort brachte sie dann mitunter einen Kanten Brot n1it. Durch<br />
das viele Umherziehen und den schlechten hygienischen Bedingungen, waren wir von Kopf- und<br />
Kleiderläusen befallen. Ohne ein Mittel war es schwierig das Ungeziefer zu bekämpfen. Unsere<br />
einzige Möglichkeit war, sie mit einem feinen Kamm auszukämmen oder die Kleiderläuse mit den<br />
Fingernägeln zu zerdrücken. Auch war unser Immunsystem ziemlich geschwächt. Durch die<br />
Unterernährung waren wir von Durchfall, Krätze und Geschwüren geplagt. Meine ganze Kopfhaut<br />
war vereitert, apf dem Rücken hatte ich ein handgroßes Geschwür. Frau Lembke waren der Vater<br />
und ein Kind gestorben. Die Leichen wurden in eine zusammengenagelte Kiste gelegt. Bevor man<br />
sie beerdigen durfte, befahlen die Russen, die Kiste noch einmal zu öffnen, um zu sehen was drin<br />
ist. Der 15jährige Sohn von Stein wurde mit anderen gleichaltrigen Kindern nach Sibirien<br />
verschleppt. Obwohl ihre kleine Tochter schon zwei Jahre alt war, wurde das Kind, wenn es vor<br />
Hunger schrie, an die Brust gelegt. Das war nur zur Beruhigung, denn Nahrung hatte Frau Stein<br />
schon lange nicht mehr. Als dann am 8. Mai der Krieg zu Ende war, machten wir uns wieder auf<br />
den Weg nach Neustädterwald.<br />
Unterwegs waren allerhand Hindernisse zu überwinden. Wie ein Wunder war ausgerechnet das<br />
Haus, als uns die Russen am 10. März eingenommen hatten, nicht abgebrannt und so hatten wir<br />
wenigstens ein Dach über dem Kopf. In den Räumen war alles chaosmäßig . durcheinander. Zu<br />
dieser Zeit waren wir nur noch mit den Fan1ilien Lembke und Tiezen zusammen. Die Stuben<br />
wurden einigermaßen aufgeräumt, Strohsäcke zum Schlafen gestopft, so daß wir dort hausen<br />
konnten. Eine Ziege, die dortirgendwie überlebt hatte, wurde von meiner Mutter geschlachtet, um<br />
erst einmal etwas zwischen den Zähnen zu haben.<br />
So nach und nach kamen die Menschen, die noch am Leben waren, wieder nach Hause. Viele waren<br />
geflüchtet oder waren umgekommen. Nachdem man sich über das Ausmaß der Zerstörung bewußt<br />
wurde, ging man zuerst daran die Leichen zu begraben. Das war aber wegen der Überschwemmung<br />
besonders schwierig. Die Brandstellen der Bauernhöfe ragten wie kleine Inseln aus den Fluten. Da<br />
die meisten Häuser aus Holz bestanden, erinnerte nur noch der Schornstein und die Brandmauer an<br />
ein Haus. Der Schornstein war meistens unten als Küche ausgebaut und darüber befand sich die<br />
Räucherkammer. Manchmal fanden wir unter den Schornsteintrümmern ein Stück Schinken oder<br />
Speck. Unser Transportmittel war ein Kahn, mit dem wir von einer Brandstelle zur anderen<br />
paddelten, dabei mußte man aufpassen, nicht auf Koppelpfahlen aufzusitzen. Wenn noch hier und<br />
da ein Haus stand, war der erste Weg in die Küche, um nach etwas Eßbarem zu suchen. Das Leben<br />
war wie auf einer einsamen Insel, auf der man um das nackte Leben kämpfte. Durch die Stille<br />
hatten viele Vögel genistet. Bevor sie aber zum Brüten kamen, waren ihre Eier unsere Beute. Des<br />
weiteren bestand unser Nahrungserwerb, durch Ährensammeln auf höher gelegenen Feldern. Die<br />
Ähren wurden in einen Beutel getan und ausgedroschen, im Wind die Spreu vom Kom getrennt,<br />
notfalls auch ausgelesen. Mit einer Kaffeemühle wurde das Getreide zu Mehl gemahlen.<br />
Das Gehöft von Frau Hermann lag ziemlich abseits von unserem Dorf und war auch nur mit dem<br />
Kahn zu erreichen. Sie hatte die Kampfhandlungen dort mit ihrem Säugling überstanden. Dadurch.<br />
daß sie zu Hause geblieben war, und das Haus nicht den Flammen zum Opfer gefallen war, konnte<br />
sie einiges an Nahrungsmitteln eingraben oder irgendwo verstecken. Eine Kuh stand noch versteckt<br />
in einer Stallecke. Wir bekamen manchmal etwas von ihren Vorräten sowie öfter etwas Milch ab.<br />
Später haben die Polen die Kuh weggeholt. Das Kind wurde schwer krank und ist gestorben.<br />
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