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TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV

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gewesen. - Weil ich an Handarbeiten interessiert war, bekam ich von ihr eine handgestickte<br />

Bettdecke. Früher hatte man in den Bauernhäusern große Himmelbetten, da hatte nicht jeder für<br />

sich ein extra Schlafzimmer. Die Bettgestelle waren nach der Seite auszuziehen, um sie breiter zu<br />

machen. Oben war, man kann wohl sagen, ein Dach, daran hing an drei Seiten eine dichte weiße<br />

Gardine herunter. An der einen Breitseite war es offen und man sah die Bettdecke. Diese Decke war<br />

aus ganz feinem, selbstgespolll1en Leinen. Unten war eine ganz breite gestickte Borte. Es waren in<br />

Weißstickerei Blumen eingearbeitet, jede Blume hatte ein anderes Muster. In der Mitte war in<br />

Durchbrucharbeit, hierzu wurden die Fäden abgezählt und ausgezogen und dann bestickt, ein großer<br />

Blumenkorb mit vielen verschiedenen Blumen in feinem weißen Linnen. Auch die Jahreszahl 1700<br />

und noch etwas, war eingestickt. Diese Decke hatte schon die Großmutter meiner Großmutter<br />

gemacht. 0, was würde ich dafür geben, welll1 ich die Decke hätte retten können, aber leider ist sie<br />

wie fast alles andere am Ende des Krieges verloren gegangen. Wenn man bedenkt was für eine<br />

Beleuchtung (Petroleumlampen) die Leute damals hatten und dann die feinen Stiche, alles<br />

ausgezählt in dem feinen Linnen!<br />

Meine Großmutter hatte<br />

auch sehr alte Fotografien,<br />

auch schon von ihrer<br />

Großmutter, \vohl aus der<br />

Zeit der ersten Fotografien.<br />

Mein Vater hatte überall die<br />

Namen dazu<br />

aufgeschrieben. Alles ist<br />

verloren gegangen. Die<br />

Frauen trugen lange Kleider<br />

bis zu den Füßen. Ihre<br />

guten Kleider waren wohl<br />

immer schwarz. In der<br />

Taille waren die Röcke<br />

angekraust. Alles war auf<br />

Futter gearbeitet, die<br />

Oberteile hatten oft<br />

eingenähte Fischbeinstäbe,<br />

Das ehemalige Geschäftshaus Fieguth im Jahre 2009 natürlich Stehkragen und<br />

lange Ärmel. Auf dem<br />

Kopf trugen die Frauen Hauben, darum hieß es auch später noch, welll1 ein Mädchen sich<br />

verheiratete: Sie ist unter die Haube gekommen. Damals gab es noch keine Druckknöpfe. Zum<br />

Schließen der Kleidungsstücke gab es nur Haken und Ösen. Die Männer hatten wohl auch immer<br />

nur dunkle Anzüge, keine Jacketts, ich denke mit Schößken. Sie trugen wohl alle einen Bart,<br />

Backenbart.<br />

Was haben wir doch alle für unwiederbringliche und unersetzliche Erbstücke verloren. Mein Vater<br />

hatte auch sehr alte Bücher, eins in lila Samteinband, andere in Leder gebunden, Silberleuchter und<br />

alte Silberlöffel mit Buchstaben und Jahreszahl. Von meinem Urgroßvater, Großmuttchens Peter<br />

Penners Vater, der 1907 noch lebte, als wir nach <strong>Tiegenhof</strong> kamen und uns gegenüber beim alten<br />

Friseur Müller wohnte, hatte ich eine Sparbüchse geerbt, mit einem Schlüsselchen zu zuschließen.<br />

Meine Großmutter hat im ersten Krieg, als es kaum etwas zu kaufen gab, noch sehr viel Schafwolle<br />

gesponnen. Meine Mutter hat es auch noch gelernt. Später hat meine Großmutter wohl bis an ihr<br />

Lebensende sehr viel für die ganze Verwandtschaft gestrickt. Dabei konnte sie noch lesen. Sie hat<br />

sehr viele Bücher gelesen und war bis zu ihrem Ende ganz klar. Sie mußte es noch erleben, daß ein<br />

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