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TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV

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und erzählte das. Für mich war es da wunderschön, mein Vater hatte das Grundstück nur gepachtet,<br />

weil es zum Schloß gehörte und bald abgebrochen werden sollte. Viel später sind dort Mauern mit<br />

Zinnen errichtet worden, so wie es viel früher mal ausgesehen hatte. In dem Gebäude war ein<br />

Kolonialwarengeschäft, eine Gaststube und eine Damenstube. Wir hatten einen Spazierwagen und<br />

einen "Fuchs", mit dem wir auch mal am Sonntag spazieren gefahren sind.<br />

Im Sommer sind wir einmal in den Wald gefahren, dabei waren auch Onkel Bernhard aus Schönau<br />

und Tante Helene, sicher auch die Warnauer. Ich weiß noch, daß Tante Helene eine Decke im Wald<br />

ausbreitete und eine große Platte mit Kirschpflinsen darauf stellte. Das gab ein fröhliches<br />

Schmausen. Sonst weiß ich noch, daß wir auch manchmal Vaters Onkel Heinrich Fast und die<br />

Tante besuchten, die wohnten: Am Goldenen Ring. Zu der Zeit hatten sie schon eine sehr schöne<br />

Wohnung, 3 oder 4 Zimmer mit Balkon, Küche und allem Zubehör. Da mußte ich immer sehr artig<br />

sein und still sitzen. Sie hatten keine Kinder. Sie waren sehr reich und hatten schon eine Reise per<br />

Schiff nach Amerika gemacht, um ihre Geschwister zu besuchen. Als ich 5 Jahre alt war, bekam ich<br />

von dem Onkel und der Tante einen zu damaliger Zeit sehr feinen Puppenwagen zu Weihnachten<br />

und eine große Puppe mit Schlafaugen. Damit hat eure Mutti noch gespielt. Wir hatten auch einen<br />

Bernhardinerhund und eine Katze, die nahmen wir nach <strong>Tiegenhof</strong> mit. Sie dort nicht zu lange<br />

gelebt, mein Vater fand sie tot auf dem Boden vom Holzstall. Auch die Tauben nahmen wir mit<br />

nach <strong>Tiegenhof</strong>, die flogen aber zurück nach Marienburg.<br />

Sehr schön war es, wenn mich jemand zur Schloßbesichtigung mitnahm. Mir schien es, daß in der<br />

Schloßkirche alles aus Gold sei. Später in der Schule habe ich mit Vorliebe über den Ritterorden<br />

und die Schlösser gelernt. In der Burg gab es auch alte Rüstungen, alte Kanonen und anderes zu<br />

besichtigen. Im> Speisesaal der Ritter war ein buntes Bild vom Abendmahl an der Wand, auf dem<br />

der Teufel hinter Judas sitzt. Damals werde ich das noch nicht gesehen haben, wir haben später<br />

auch Besuche mit der Schule im Schloß gemacht. Dann wurde uns auch der große Remter gezeigt,<br />

dessen Decke von einem Pfeiler getragen wird. Bei einer Belagerung der Marienburg von der<br />

Nogatseite durch die Polen ist es zu einem Verrat gekommen. Als alle führenden Ritter im Remter<br />

versammelt waren, schossen die Polen auf ein Zeichen eine Steinkugel ab mit der Absicht den<br />

Pfeiler zu treffen, damit die Decke einstürzt und die Ritter unter sich begräbt. Die Kugel ging aber<br />

dicht an dem Pfeiler vorbei.<br />

Im inneren Schloßhof ist ein Brunnen mit einem nachgebildeten Pelikan auf dem Dach, der sich die<br />

Brust aufreißt, um die Jungen unter sich nicht vor Hunger sterben zu lassen. Rings um den Innenhof<br />

ist der Kreuzgang. Das aller Schönste vom Schloß war das aus Mosaiksteinen zusammengesetzte<br />

Bildnis der Maria mit dem Jesuskindlein auf dem Arm. Es war überlebens groß. Es befand sich an<br />

der Schloßkirche, gerade dem Haus gegenüber in dem ich geboren bin.<br />

Es hat viele viele Jahre gedauert ehe das Schloß fertig war. Ich glaube, man hat un1 das Jahr 1200<br />

mit dem Bau angefangen. Man nannte sie "die Burg es Ostens". Es war die größte Burg in<br />

Deutschland. Niemals haben Feinde sie einnehmen können bis 1945.<br />

Im Jahr 1905 bekam ich ein Brüderchen, Herrmann Franz. Er wurde im Juni geboren, ist aber schon<br />

im September gestorben. Es herrschte zu der Zeit eine Brechdurchfall Epidemie, der sehr viele<br />

Kleinkinder erlagen. Ich weiß noch, wie er gebadet und gewickelt wurde und wie er in einem<br />

kleinen Sarg lag. Ich folgte meinen Eltern auf den Friedhof. Ich wurde im November erst drei Jahre<br />

alt.<br />

Zu beiden Seiten der Marktstraße standen die Häuser dicht beieinander. Bei einer Belagerung der<br />

Stadt haben die Bewohner die Wände von einem Haus zum anderen durchbrochen, damit sie von<br />

einem Haus zum anderen kOlu1ten. So sind die "Lauben" entstanden. Auf der einen Seite waren es<br />

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