TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV
TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV
TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
espektlos anderen gegenüber und sie ist nicht egoistisch, sie wird nicht jähzornig und<br />
nachtragend. Wo Unrecht geschieht, freut sie sich nicht, vielmehr freut sie sich mit anderen<br />
an der Wahrheit. Sie ist fähig zu schweigen und zu vertrauen, sie hofft mit Ausdauer und<br />
Widerstandskraft. Die Liebe gibt niemals auf. Prophetische Gaben werden aufhören,<br />
geistgewirktes Reden wird zu Ende gehen, Erkenntnis wird ein Ende finden. Wir erkennen<br />
nur Bruchstücke, und unsere Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, ist begrenzt. Wenn<br />
aber die Vollkommenheit kommt, dann hört die Zerrissenheit auf. Als ich ein Kind war,<br />
redete und dachte ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind. Als ich erwachsen wurde,<br />
ließ ich zurück, was kindlich war. Wir sehen vorläufig nur ein rätselhaftes Spiegelbild,<br />
dann aber von Angesicht zu Angesicht. Heute erkenne ich bruchstückhaft, dann aber werde<br />
ich erkennen, wie ich von Gott erkannt worden bin. Jetzt aber leben wir mit Vertrauen,<br />
Hoffnung und Liebe,· diesen drei Geschenken. Und die größte Kraft von diesen dreien ist<br />
,die Liebe.<br />
Amen<br />
Paulus benutzt innerhalb von vier Sätzen 15 Tätigkeitswörter, um aufzuzeigen, was die<br />
Liebe tut bzw. was sie nicht tut: Die Liebe gibt nicht nach dem ersten Fehlschlag auf,<br />
sondern hat einen langen Atem. Die Liebe geht nicht fanatisch vor. Die Liebe gaukelt dem<br />
anderen nichts vor. Die Liebe stellt nicht aus Eitelkeit die eigene Weisheit in den<br />
Mittelpunkt. Die Liebe setzt sich nicht taktlos und selbstherrlich über die Grenzen anderer<br />
hinweg. Die Liebe ist nicht auf den eigenen Vorteil aus. Die Liebe lässt sich nicht durch<br />
die Streitsucht der anderen provozieren. Die Liebe rechnet Schuld nicht an, sondern sucht<br />
die Vergebung auf. Die Liebe freut sich nicht über Ungerechtigkeit, sondern erfreut sich an<br />
der Wahrheit. Die Liebe trägt angetanes Unrecht nicht nach, sondern ermöglicht einen<br />
Neuanfang durch Vergebung. Die Liebe hat die Kraft, dem anderen auch über Fehlschläge<br />
hinweg das Vertrauen zu bewahren. Die Liebe ist nicht rückwärts orientiert, sondern offen<br />
für die Zukunft - ein wahrer Textkoloss, bei dem die Messlatte, was Liebe denn alles kann<br />
oder nicht macht, ganz schön hoch angesetzt ist. Eine Ode an die Liebe - warum Paulus<br />
wohl so einen Text an eine ganze Gemeinde geschrieben hat? Eine Liebeserklärung an eine<br />
komplette Gemeinde? Und ausgerechnet an seine Gemeinde, an die Gemeinde, die ihm im<br />
Laufe seines Lebens das meiste Kopfzerbrechen bereitet hat? Erinnern wir uns an die<br />
ursprünglichen Empfanger und Empfangerinnen dieses Liebesbriefs. Korinth war zur Zeit<br />
des Paulus ein pulsierendes Handelszentrum, eine der wichtigsten Hafenstädte in<br />
Kleinasien. Die Gemeinde bestand aus sehr unterschiedlichen Menschen, die sehr<br />
unterschiedliche Berufe ausübten. Neben Hafenarbeitern und Hausangestellten waren auch<br />
Handelskaufleute zu finden, die eben auch aus unterschiedlichen Traditionen kamen. Ich<br />
bin mir sicher, Paulus hatte ganz konkrete Situationen und ganz konkrete Typen vor<br />
Augen, als er diese Zeilen schrieb. Vielleicht musste er mal wieder einiges geraderücken<br />
im Leben dieser Gemeinde, die er doch so gut kannte - und liebte.<br />
Ich versuche, mich in Paulus hineinzuversetzen, und den Menschentypen, die Paulus vor<br />
Augen hatte, einen Namen zu geben: Da waren Menschen wie Lydia und Markos, die die<br />
Gottesdienste der Genleinde als kultische Ereignisse inszenieren wollten: Mit Zimbeln und<br />
Schellen, mit möglichst viel Getöse und Tamtam. So wie andere <strong>Verein</strong>e in der Stadt. Die<br />
beiden wollten sozusagen mit Speck Mäuse fangen - damit sich der Gottesdienstraum mit<br />
soviel Menschen wie möglich füllte. "Wir müssen den Menschen etwas<br />
Außergewöhnliches bieten", so argumentierten sie. "Der Gottesdienst muss ein Schauspiel<br />
sein, das viele Neugierige anzieht. Er muss ein Ereignis sein, ein Publikumsmagnet". Da<br />
waren Priscilla und Eugenios, die ständig betonten, wie gebildet sie doch seien und ständig<br />
durchblicken ließen, dass ihre Meinung die sei, die wirklich zähle. Da war Flavios, der<br />
seine Zugehörigkeit zur Gemeinde als Reedereibesitzer hauptsächlich dazu nutzte, billige<br />
Arbeitskräfte anzuheuern. Da war die alteingesessene Kaufmannstochter Maximilla, die<br />
- 67-