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TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV

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auf einmal ausliefern können. Wenn keine leeren Kisten bei uns waren, gab es ein Problem. Wo<br />

sollten wir die Eier lassen. Wir haben dann die Schubladen aufgemacht und sie dort reingelegt. Nur<br />

gut, daß wir auch selber ein paar Hühner hatten, denn es gingen manchmal welche entzwei und so<br />

konnten wir sie mit unseren ersetzen.<br />

Auch Kaninchen hatten wir noch ein paar, aber die wollten was zu fressen haben. Da sind meine<br />

Mutter und ich abends wer weiß wie weit nach Grünem gegangen. Es half uns aber alles weiter, bis<br />

dann das bittere Ende kam mit der Revolution. Wir waren froh, daß wir die starken Rolläden vor<br />

unseren Schaufenstern hatten. Wenn auch nichts mehr im Laden war, so war uns doch nach dem<br />

ersten Weltkrieg das Haus geblieben. Mit der Zeit kamen die Soldaten nach Hause, die am Leben<br />

geblieben waren, auch mein Vater. Es gab noch lange nichts zu handeln und es setzte die<br />

Geldentwertung ein.<br />

Meine Mutter war schon 10Jahre magenkrank, 1919 mußte sie sich von Herrn Dr. Lyck in Danzig<br />

operieren lassen, der ihr 2/3 vom Magen wegnahm und nur die zwei Spitzen zusammensetzte. Es<br />

ging ihr aber danach besser. Das hat damals 1000.-Mark gekostet.<br />

Ich besuchte in dem Sommer die Haushaltungsschule in Marienburg und blieb nach den Ferien<br />

noch ein paar Wochen zu Hause um zu wirtschaften. Da konnte ich gleich einige Kochrezepte<br />

ausprobieren und zeigen was ich gelernt hatte. Es war wohl nur eine Stunde per Bahn von<br />

<strong>Tiegenhof</strong> nach Marienburg. Nach 10 Minuten Fahrt war man in Marienau, etwas länger war die<br />

Stadt Neuteich erreicht. Die nächsten Stationen waren Tralau und Heubuden dann waren wir in<br />

Simonsdorf. Hier mußte man durch einen Tunnel um zu den Gleisen der Fernzüge zu gelangen.<br />

Einmal standen mein Vater und ich vor deIn Bahnhofsgebäude als ein D-Zug vorbeibrauste .. So<br />

etwas hatte ich noch nicht erlebt. Von dem Luftdruck bin ich fast umgefallen. Vor Marienburg<br />

mußte man über die Eisenbahnbrücke. Parallel zu ihr war die Brücke für Pferdewagen und<br />

Fußgänger über die Nogat. Von hier konnte man schon gut das große Schloß sehen, welches von<br />

den Ordensrittern an der Nogat gebaut worden war. Gleich nach der Eisenbahnbrücke kamen wir an<br />

einem großen Platz vorbei, wo der Kaiser ausstieg, wenn er nach Marienburg kam. Einmal habe ich<br />

das erlebt, als ich noch klein war, vielleicht so mit vier oder fünf Jahren. Es war Kaiser Wilhelm H.<br />

Als er aus dem Zug stieg, war da schon eine große Equipage, die auf ihn wartete, mit der er ins<br />

Schloß fuhr. Vom auf dem Kutschbock saß ein Kutscher in feiner Livree und lenkte die Pferde,<br />

sicher waren es vier. Er kam an dem Denkmal des alten Fritz vorbei, der mit dem Gesicht dem<br />

Schloß zugewandt war, darum sagte man:<br />

"Warum kann der Alte Fritz nicht sprechen?"<br />

"Er hat ein Schloß vor dem Mund."<br />

Längs der Straße waren viele, viele Menschen von wer weiß woher gekommen, um den Kaiser zu<br />

sehen.<br />

Der Bahnhof in Marienburg kam mir damals schon ziemlich groß vor, weil ich noch nichts anderes<br />

als <strong>Tiegenhof</strong> und Marienburg kannte. Von dort ging es dann meistens zuerst zur Großmuttchen in<br />

die Wilhelmistraße. Sie hatte ejne kleine Wohnung, ein großes Zimmer und dahinter ein kleines<br />

Schlafzimmer. Wenn man durch die Wolmungstür kam, war zuerst ein kleiner Gang, von da ging es<br />

in die Küche und auf der anderen Seite war eine Toilette mit Wasserspülung. Das hatten wir in<br />

<strong>Tiegenhof</strong> nicht. Dort wurde erst der Wassertunn gebaut und die Rohre in den Straßen und in die<br />

Häuser verlegt, als wir schon in <strong>Tiegenhof</strong> wohnten. Auch Gas gab es in Marienburg und meine<br />

Großmuttchen kochte auf einem Gaskocher. Es war mir sehr interessant, wenn sie die Kartoffeln<br />

aufsetzte, sah sie auf die Uhr und wußte dann genau wenn sie gut waren zum Abgießen. Auf dem<br />

Kohlenherd, wenn das Feuer manchmal nicht gut brannte, da war das nicht so genau nach Minuten.<br />

Wenn wir ein Weilchen da waren und ich mir wieder alles angeschaut hatte, dann kam auch bald:<br />

"Kann ich die Puppe haben?"<br />

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