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TN 50 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV

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kleineren fur Mandeln, Schokoladenpulver, ganzen Gewürzen und ganzen Pfefferkörnern. Jede<br />

Schublade hatte eine Nummer von 1 bis 144. In der Mitte war ein Glasschrank, darin waren kleinere<br />

Sachen.<br />

Für den Kaffee gab es ganz große Standdosen, der beste war der Guatemala, dann Santos, Java und<br />

Rio (de Tanerro). Der Kaffee kam ungebrannt in großen Säcken an und wenn er gebraucht wurde,<br />

mußte der Kaffee im Kaffeebrenner geröstet werden. Der stand im hinteren Flur an der hinteren<br />

Haustür. In die Trommel wurden 9 Pfund grüne Kaffeebolmen hineingeschüttet und die mußten die<br />

Lehrlinge dann über einem Koksfeuer drehen und drehen bis die Bolmen schön braun waren, dann<br />

knisterten sie und wenn mein Vater sagte sie sind gut, dann wurden sie auf ein ganz großes Sieb<br />

geschüttet und mit einer Schaufel gerührt bis sie abgekühlt waren. Dann roch es in der Straße, wer<br />

weiß wie weit, nach Kaffee und die Kunden kamen und wollten frisch gebrannten Kaffee kaufen.<br />

Für das Mehl war eine ganz große Schublade im Ladentisch, wo die Wiegschale war, denn davon<br />

wurden ja größere Mengen gekauft. Die Waage war ganz aus Messing und mußte immer schön<br />

blank geputzt werden. Von Zeit zu Zeit mußten alle Waagen und alle Gewichte zum Eichen<br />

gebracht werden. Da wurde festgestellt, ob alle das richtige Gewicht hatten und anzeigten. Für die<br />

vollen Säcke gab es eine Dezimalwaage und für die Gewürze eine Gewürzwaage.<br />

Zu der Zeit gab es noch keine Autos und Lastwagen, da kam alles mit der Eisenbahn oder mit dem<br />

Dampfer. Von den Abladestellen wurde es mit Pferdewagen angefahren. Das Mehl kam aus der<br />

Dampfmühle Schlenger in <strong>Tiegenhof</strong>, der Zucker aus der Zuckerfabrik, viele Kolonialwaren aus<br />

Marienburg oder Danzig. Von den Großhandlungen kamen Handelsvertreter die Kaufleute<br />

besuchen und bekan1en ihre Aufträge. Da mußte schon für lange Zeit im voraus bestellt werden,<br />

damit alles rechtzeitig da war.<br />

Das Hauptgeschäft war ja Weilmachten. 0, was gab es da alles zu sehen, wenn die großen Kisten<br />

mit Hammer und Brecheisen aufgemacht wurden! Schon eine Weile vor Weihnachten mußten<br />

Tüten geklebt werden, wenn Zeit war. Da kan1en große Rollen Papier, die mußten<br />

zurechtgesclmitten werden und mit Dextrin geklebt werden. Große Tüten wurden schon fertig<br />

bestellt, aber kleinere und besonders die für Gewürze wurden geklebt. Auch der Firmenstempel<br />

kam überall rauf. Das war oft meine Arbeit. Dann wurde abgepackt: Zimt, Sternanis, Nelken,<br />

Cardamom, das war das teuerste Gewürz, und all die anderen Sorten. Oft mußte noch ganzes<br />

Gewürz im Mörser gestoßen werden. Das wißt Ihr nun wieder nicht, was das wohl ist. Ganz früher<br />

waren die Mörser aus reinem Messing, später aus Eisen. Das ist ein Behälter in den die<br />

Pfefferkörner oder anderes reinkommt und dann mit einem Klöppel raufgestoßen wird, bis alles<br />

feines Pulver ist. Den Mörser nimmt man zwischen die Knie und muß ihn oben manchmal<br />

zudecken (mit der Schürze) sonst wollen die Korianderkörnchen herausspringen. Und dann, je<br />

nachdem was es ist, riecht es dann so schön nach Nelken, Muskatblüte oder Sternanis, gerade wie<br />

heute beim Einrühren. Und weil dies ja meist nur für die Weilmachtsbäckerei verwendet wird, sagt<br />

man, es riecht nach Weilmachten. Wenn man sehr fleißig mit dem Mörser arbeitet, macht der ja<br />

auch immer: bing, bing, bing, bing, wie die Weilmachtsglocken. Später hat mein Vater eine<br />

Gewürzmühle angeschafft, dann wurde der Mörser nicht mehr so oft gebraucht. Ehe die Hausfrauen<br />

mit dem Backen anfangen wollten, kamen große Bogen Einpackpapier auf den Tomtisch und dann<br />

wurden bestimmte Mengen von jeder Gewürzsorte abgewogen, nach Vaters Rezept, gemischt und<br />

in kleine Tütchen abgepackt, das war: Herrmann Fieguths Pfefferkuchengewürz. Später war das<br />

dann bei Heidebrecht genau so.<br />

Früher backten die Hausfrauen auf dem Lande alles selber und dieses Weihnachtsgebäck hielt sich<br />

sehr gut, besonders in den 20 Liter Milchkannen, die ja im Winter nicht alle zum Milchabliefern<br />

gebraucht wurden. Jede Familie, die auf einen1 Bauernhof arbeitete, bekam dann zu Weihnachten<br />

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