CVUA 2002 - Untersuchungsämter-BW
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84 <strong>CVUA</strong> Stuttgart<br />
Maximal wurden bei Orangen mit Schale in einer Probe 8<br />
verschiedene Pestizidrückstände nachgewiesen, wobei im<br />
essbaren Anteil derselben Probe nur ein Pflanzenschutzmittel<br />
nachgewiesen wurde. Im essbaren Anteil der Proben<br />
wurden maximal 2 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe festgestellt.<br />
Der Hauptteil der Rückstände sitzt somit auf der<br />
Schale. Im essbaren Anteil wurden fast ausschließlich<br />
Nacherntebehandlungsmittel (Imazalil, Thiabendazol, Prochloraz,<br />
o-Phenylphenol) nachgewiesen, die oberflächlich<br />
eingesetzt werden, um die Früchte vor einem Verderb<br />
während des Transports und der Lagerung zu schützen.<br />
Die Gehalte im essbaren Anteil lagen sehr niedrig (zwischen<br />
0,01 und 0,3 mg/kg), wobei die Höhe der Gehalte<br />
um Faktor 20 bis 100 im essbaren Anteil niedriger war gegenüber<br />
der Höhe der Rückstandsgehalte in den Proben<br />
mit Schale.<br />
Nitrofen-belastetes Getreide: Kontamination<br />
durch unsachgerechte Lagerung<br />
Im Sommer <strong>2002</strong> sorgte der Nachweis von Nitrofen in<br />
Fleisch aus ökologischer Erzeugung für Schlagzeilen. Umgehend<br />
erfolgte eine breit angelegte bundesweite Ursachenforschung.<br />
Dieser Befund war insofern aufsehenerregend,<br />
als Nitrofen ein herbizid wirksamer Stoff ist, der ursprünglich<br />
einmal im Vorauflaufverfahren zur Bekämpfung<br />
von Unkräutern in Weizen Anwendung fand und jedoch<br />
nur bis 1980 zum Vertrieb in Deutschland zugelassen war.<br />
Aufgrund teratogener und karzinogener Wirkungen im<br />
Tierversuch wurde 1988 innerhalb der EU ein vollständiges<br />
Anwendungs- und Vertriebsverbot für nitrofenhaltige<br />
Pflanzenschutzmittel ausgesprochen. In den neuen Bundesländern<br />
trat das Anwendungsverbot mit der Wiedervereinigung<br />
in Kraft.<br />
Anhand der toxikologischen Daten wurde vom BgVV ein<br />
Grenzwert von 0,15 µg Nitrofen je kg Körpergewicht und<br />
Tag abgeleitet, unterhalb dessen eine gesundheitliche Gefährdung<br />
auszuschließen ist. Dies entspricht einer maximalen<br />
täglichen Aufnahme von 9 µg Nitrofen für einen<br />
Menschen von 60 kg Körpergewicht.<br />
Aufgrund dieser relativ hohen Toxizität wurde im Sinne<br />
eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes weiterhin der<br />
Grenzwert in Säuglings- und Kleinkindernahrung per<br />
Dringlichkeitsverordnung von 0,01 mg/kg auf 0,005 mg<br />
pro kg abgesenkt.<br />
Für das Vorkommen von Nitrofen in der Nahrungskette<br />
waren mehrere Ursachen möglich: illegale Anwendung<br />
von Nitrofen als Herbizid im Getreideanbau, Import von<br />
nitrofenbelastetem Getreide aus anderen Staaten, Anwendung<br />
im Veterinärbereich, etc....<br />
Als Quelle der Kontamination kam schließlich eine von der<br />
Norddeutschen Saat- und Pflanzgut AG (NSP) angemietete<br />
Halle in Malchin (Mecklenburg-Vorpommern) in Betracht.<br />
Diese Halle wurde zur Lagerung von Saatgut und<br />
Futtermittel genutzt und diente jedoch ursprünglich (bis<br />
1990) der Lagerung von Pflanzenschutzmitteln. Boden,<br />
Staub-, Umgebungsproben der Halle sowie Pflanzenproben<br />
aus dem Außenbereich der Halle wiesen hohe Nitrofenbelastungen<br />
auf, so dass sich diese Halle als Kontaminationsquelle<br />
bestätigte. Eine weitere Getreidereinigungsanlage,<br />
die mit kontaminiertem Getreide aus Malchin<br />
beliefert worden war, war durch den sich hier abgelagerten<br />
nitrofenbelasteten Staub ein weiterer Verteiler geworden.<br />
Anhand der von dort ausgehenden Lieferwege (Vertrieb<br />
von Getreide zur Futtermittelherstellung und auch als<br />
Brotgetreide) wurde bundesweit nach kontaminiertem<br />
Tierfutter und belasteten Lebensmitteln gefahndet.<br />
499 Betriebe (Höfe, Mühlen, Verteilerzentren etc.) wurden<br />
insgesamt in Deutschland in sieben Bundesländern<br />
vorläufig gesperrt. In Baden-Württemberg wurde ein zusätzliches<br />
Untersuchungsprogramm gestartet, um tierische<br />
(am <strong>CVUA</strong> Freiburg) und pflanzliche Lebensmittel (am<br />
<strong>CVUA</strong> Stuttgart) auf Nitrofen zu prüfen.<br />
In Baden-Württemberg war nachweislich eine Getreidemühle<br />
(über eine weitere Mühle als Zwischenhändler)<br />
von der Firma NSP beliefert worden. Von hier erfolgte die<br />
Verteilung zu einer Bäckerei sowie zu einer Mühle in Frankreich.<br />
Umfangreiches Nitrofen-Untersuchungsprogramm<br />
Insgesamt wurden 125 Proben Getreide/Getreideprodukte<br />
sowie 8 Umgebungsproben (Stäube) aus der durch die Firma<br />
NSP belieferten Mühle auf Nitrofen untersucht. Davon<br />
wurden 67 Proben in unmittelbarem Zusammenhang<br />
mit der von der Halle in Malchin möglicherweise ausgehenden<br />
Kontamination untersucht. Die Mühle als auch<br />
die belieferte Bäckerei wurden umfangreich beprobt.<br />
Untersuchung der Kontamination der Mühle<br />
Jahresbericht <strong>2002</strong><br />
Um eine mögliche Kontamination der von der Firma NSP<br />
belieferten Mühle festzustellen, wurden Staubproben an<br />
unterschiedlichen Stellen des Betriebs entnommen (Filter-<br />
Jahresbericht <strong>2002</strong><br />
sack der Entstaubungsanlage, Kellerbereich, Umluftaspirateur).<br />
Darin konnten Spuren an Nitrofen (< 0,005 mg/kg)<br />
sowie Gehalte an Nitrofen von 0,01 und 0,02 mg/kg Staub<br />
nachgewiesen werden. Alle beprobten Getreide- und<br />
Mehlproben der Mühle enthielten dagegen keine nachweisbaren<br />
Gehalte an Nitrofen.<br />
Aufgrund der Kontamination der Stäube wurde die Auslieferung<br />
der Mühle eingestellt und eine Grundreinigung<br />
der Mühle veranlasst. Die Betriebsabläufe wurden anschließend<br />
sukzessive einer Stufenkontrolle unterzogen, um<br />
eine Kontamination von Ware durch eventuell unentdeckte<br />
Nitrofenreste auszuschließen. Alle nach der Mühlenreinigung<br />
entnommenen Getreide- und Mehlproben sowie<br />
eine weitere Staubprobe enthielten keine nachweisbaren<br />
Gehalte an Nitrofen.<br />
Untersuchungsergebnisse<br />
Nur in 2 der insgesamt 125 untersuchten Proben Getreide<br />
bzw. Getreideprodukte konnte Nitrofen nachgewiesen<br />
werden. Beide Proben stammten von der durch die Firma<br />
NSP belieferten Mühle und wurden von einem Verbraucher<br />
zur Untersuchung vorgelegt. Eine Probe Roggen aus biologischer<br />
Erzeugung wurde wegen gesicherter Überschreitung<br />
der zulässigen Höchstmenge als nicht verkehrsfähig<br />
beurteilt, in der anderen Probe Bio-Weizen wurden nur<br />
Spuren an Nitrofen nachgewiesen.<br />
Es ist davon auszugehen, dass diese beiden Getreideproben<br />
ursprünglich frei von Nitrofen waren und in der Mühle<br />
mit nitrofenbelastetem Roggen aus Malchin vermengt<br />
wurden oder in der Mühle mit nitrofenhaltigem Staub in<br />
Kontakt gekommen waren. Obwohl die festgestellten Gehalte<br />
keine Gesundheitsgefährdung darstellten, wurde von<br />
der Mühle ein öffentlicher Rückruf für alle möglicherweise<br />
betroffenen Chargen eingeleitet. In Weiteren bereits<br />
vertriebenen Chargen war Nitrofen nicht nachweisbar.<br />
Weitere Nachuntersuchungen<br />
Nachdem die Quellen der Kontamination festgestellt und<br />
alle Lieferwege geprüft waren, sollte durch ein bundesweit<br />
angelegtes Untersuchungsprogramm (insgesamt 238 Proben)<br />
abgesichert werden, dass es keine weiteren Verschleppungen<br />
gegeben hat. Im Rahmen dieses Nitrofen-<br />
Monitorings wurden 32 Proben Speisekleie (Weizen und<br />
Dinkel) aus ökologischer und konventioneller Erzeugung<br />
untersucht. Die Probenahme erfolgte überwiegend direkt<br />
bei Getreidemühlen, teilweise auch im Einzelhandel, wobei<br />
in keiner der Proben Nitrofen nachgewiesen werden konnte.<br />
Öko-Monitoring<br />
Baden-Württemberg führt im Zusammenhang mit der vom<br />
Ministerrat des Landes beschlossenen Gesamtkonzeption<br />
zur Förderung des ökologischen Landbaus zusätzlich über<br />
5 Jahre ein spezielles Untersuchungsprogramm für Lebensmittel<br />
aus ökologischem Landbau durch. Dieses Öko-<br />
Monitoring erfolgt im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung.<br />
Lebensmittel aus ökologischem Anbau<br />
sollen systematischer und häufiger als in der Vergangenheit<br />
auf Rückstände und Kontaminanten untersucht<br />
werden. Ziel des Monitorings soll sein, in diesem stark expandierendem<br />
Marktsegment Verbrauchertäuschungen<br />
besser zu erkennen und das Verbrauchervertrauen in die<br />
Qualität ökologisch erzeugter Lebensmittel zu stärken.<br />
Das Untersuchungsprogramm erstreckt sich vorrangig auf<br />
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, in den kommenden<br />
Jahren aber auch auf andere Kontaminanten wie z.B.<br />
Schimmelpilzgifte, Schwermetalle, Dioxine, PCBs sowie auf<br />
Bestrahlung und auf gentechnische Veränderungen.<br />
Ziele sind:<br />
<strong>CVUA</strong> Stuttgart<br />
1. Statuserhebung der Belastung ökologisch erzeugter<br />
Lebensmittel mit Rückständen und Kontaminanten,<br />
2. Vergleich von Öko-Lebensmitteln aus einheimischer<br />
Produktion mit Öko-Lebensmitteln anderer Herkunft.<br />
3. Feststellung irreführender Kennzeichnung bei Hinweis<br />
auf ein Erzeugnis nach der Öko-Verordnung.<br />
4. Vergleich von Öko-Lebensmitteln mit konventioneller<br />
Ware.<br />
Rückstandsfreiheit bei pflanzlichen Lebensmitteln aus<br />
ökologischem Anbau – erste zusammengefasste<br />
Ergebnisse<br />
Die Rückstandsgehalte in Lebensmitteln aus ökologischem<br />
Landbau unterscheiden sich von konventionell erzeugten<br />
Lebensmitteln signifikant. Während in konventionellen Lebensmitteln<br />
häufig Rückstände nachgewiesen werden (im<br />
Jahr <strong>2002</strong> bei 75 % der Proben), waren Öko-Lebensmittel<br />
zu 93 % (209 von 224 Proben ohne Getreide und Säuglingsnahrung)<br />
ohne Befund. Als Bestimmungsgrenze wird<br />
ein Gehalt von 0,01 mg/kg (praktischer Nullwert) herangezogen.<br />
Dieser Wert wird seit vielen Jahren als ausreichend<br />
niedrig und in der Praxis praktikabel angesehen,<br />
noch geringere Gehalte werden in der Regel als unerheblich<br />
betrachtet.<br />
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