alle steuern!“ Und legt los mit Gebrüll. Und falls es die Eltern nicht schaffen,den Irrtum zu korrigieren, wächst, so Winterhoff, ein „frühkindlichnarzisstisch fixiertes“ Ungeheuer heran, welches im Stadium des infantilenGrößenwahns stecken bleibt, keinen Unterschied zwischen Dingenund Menschen macht, aber alle Register zieht, um letztere zu manipulieren.Man sollte zwar annehmen, auch diesen Kindern sei irgendwannaufgefallen, dass Stühle und Kommoden einfach nicht reagieren,weder auf Gebrüll noch auf artiges Bitten, während Mutter und Vaterdies, zumindest gelegentlich, tun – aber nein, Winterhoff bleibt dabei:Tyrannische Kinder halten Menschen für Dinge. Dinge, die abends einGutenachtgebet sprechen und morgens das Frühstück richten; Dinge, dieweinen und lachen, schimpfen und Zärtliches sagen; und die auf Zurufsofort herbei eilen.Bliebe zu klären: Unterdrücken die kleinen Tyrannen ihre Mitmenschen(oder besser gesagt: Mitdinge) absichtlich? Winterhoff bejaht dieseFrage, will sich aber nicht nachsagen lassen, dass er sie bejaht, waszu den seltsamsten rhetorischen Verrenkungen führt. Im ersten Buch beschwerter sich über Kinder, die ihm, dem Herrn Doktor, nicht aufs Wortfolgen, und über Eltern, die so ein skandalöses Benehmen auch nochentschuldigen: „Ein frühkindlich narzisstisch fixiertes Kind, demich den Auftrag erteile, sich auf einen bestimmten Stuhl zu setzen,wird das in etwa einem Drittel der Fälle nicht tun und michdazu zwingen (der Ärmste!), den Auftrag mindestens einmal zuwiederholen. Beschreibe ich den Eltern diese Situation und machesie explizit darauf aufmerksam, dass das Kind mir keine andereWahl gelassen hat, als mich von ihm steuern zu lassen (erkann einem wirklich leid tun!) und es erneut zu bitten, einen bestimmtenStuhl zu wählen (hat er nun einen Auftrag erteilt oder eineBitte geäußert, durfte das Kind einen Stuhl wählen oder wurde ihm einerangewiesen?), werden sie zu mir sagen: Das hat es aber nicht absichtlichgemacht. Weise ich in so einem Fall darauf hin, dasseine so einfache und klare Anweisung (es war also doch keine Bitte)kaum falsch zu verstehen sei, lautet das nächste Argument,das Kind habe Angst vor mir oder vor der Gesprächssituation.“(Was natürlich völlig ausgeschlossen ist, wenn der nette fremde Mann14
Winterhoff heißt). Die Passage ist einem Kapitel entnommen, in welchemEltern zurechtgewiesen werden, denen für das Fehlverhalten ihrer Kinderallerlei „fantasievolle Begründungen“ einfallen, schlimmstenfalls dieUnabsichtlichkeitsbegründung.Nun hat sich aber, wie Winterhoff im Vorwort des zweiten Buchesmitteilt, „manch einer (...) am Begriff des Tyrannen gestoßen.(...) Tyrannen, so wurde argumentiert, seien bewusst handelnde(...) Diktatoren, die zielgerichtet das Leben anderer Menschenbeeinflussen. Dieser Begriff dürfe folglich keinesfalls auf Kinderübertragen werden, denn dies zeuge von Kinder verachtendemDenken.“ Das sehen wir ähnlich, zumal ja Winterhoff nicht nur von Tyrannenspricht, sondern mehrfach auch von „Monstern“. Und siehe da,er scheint einlenken zu wollen: „Nichts liegt mir ferner als eine solcheSichtweise. (...) Die Kinder und Jugendlichen, um die es mirgeht, (...) handeln (...) unbewusst, da ihre psychische Reifeentwicklungnachhaltig gestört ist.“ Womit jene Eltern, die immer sagen„Das hat es aber nicht absichtlich gemacht“, rehabilitiert wären ...Oder doch nicht? Lesen wir weiter. Kaum hat Winterhoff klargestellt,wie fern es ihm liege, anzunehmen, respektlose Kinder wollten nach typischerTyrannenmanier „zielgerichtet das Leben anderer Menschenbeeinflussen“, erklärt er: „Kinder, die in einer Beziehungsstörungaufgewachsen sind, haben manipulatives Verhalten gegenüberErwachsenen gelernt. (...) Das Kind manipuliert (...)durchaus gezielt.“ Hm. Wie kann jemand durchaus gezielt andereMenschen manipulieren, ohne sie zielgerichtet beeinflussen zu wollen?Bei Winterhoff wundert einen nichts mehr. Im Brustton akademischerÜberlegenheit palavert er von Kindern, die absichtlich Erwachsene manipulieren,dabei jedoch „nicht bewusst oder berechnend“ vorgehen.(Manipulation heißt laut Duden-Fremdwörterlexikon: „Bewusster und gezielterEinfluss auf Menschen ohne deren Wissen und oft ohne deren Willen.“)Gegen Ende des ersten Buches markiert er dann noch einmal deutlichseinen Standpunkt: Statt nach einer medizinischen Diagnose zu schielen,die doch nur wieder alles entschuldigen würde, sollen die Eltern unge-15
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Gleichzeitig sank die Bereitschaft,
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● Und natürlich: Leistung, Leist
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klasse litten unter psychiatrisch r
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immer wieder abverlangt werden, dam
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das heißen soll, „im engeren Sin
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Herbst 2009Studienkreis für Neue P
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Fabian, WolfgangFreier JournalistHe