durch Lob und Tadel, Gunst- und Missgunstbezeugungen, Belohnungenund Sanktionen. Steht das Kind beispielsweise vor einem Scherbenhaufen,den es im Zorn oder aus Übermut angerichtet hat, ist das Angebot,die Sache gemeinsam wieder in Ordnung zu bringen, allemal sinnvollerals jede Zurechtweisung. In den meisten Fällen könnten die Erwachsenengänzlich darauf verzichten, ihren Ärger hinauszuposaunen. Unterschätzenwir nicht das Gespür der Kinder für unsere emotionale Verfassung.Da genügt oft ein kurzer Blickwechsel.Aufschlussreich ist diesbezüglich ein Versuch mit knapp Einjährigen, von demFrancoise Dolto (zitiert nach Arno Gruen, s.u.) berichtet: Sie „weigerten sich(...), von (einer) neuen Speise auch nur zu kosten, wenn die Person, die sieihnen vorsetzte, dieses Gericht nicht mochte, selbst wenn diese (...) ihren Widerwillendurch nichts verriet.“ Scheinbar durch nichts verriet, möchte manhinzufügen. Auch die Gegenprobe funktionierte: Wurde denselben Kinderndasselbe Gericht von jemandem gereicht, der es mochte, aßen sie mit Genuss.Fazit: Kleine Kinder brauchen keine verbale Aufklärung, um zu bemerken, obwir negativ oder positiv gestimmt sind. Das gilt natürlich auch für unsere Gefühleihnen gegenüber, zum Beispiel Verärgerung.Winterhoff hingegen empfiehlt, „der erziehende Erwachsene“ sollesich dem Kind als „steuerndes Gegenüber“ präsentieren, indem erdessen Verhalten systematisch bewertend kommentiert. Ab welchem Alterdies geschehen soll, bleibt unklar. Einmal heißt es, von Säuglingen sei„ausdrücklich nicht“ die Rede. Na immerhin. Im dritten Lebensjahrjedoch müsse ein Kind schon so weit trainiert sein, „dass (es) fehlerhaftesoder freches Verhalten im Regelfall einstellen würde, sobaldVater oder Mutter ihr Missfallen darüber kundtun.“ Alsowann soll man mit dem Training beginnen? Im zweiten Jahr? Noch einmaldie Methode: „Macht das Kind etwas Positives, Gutes, freueich mich deutlich erkennbar. Zeigt es ein Fehlverhalten, machtetwas Falsches, ärgere ich mich ebenso erkennbar. Diese Reaktionenkönnen nur auf dem Boden der Intuition wirklich gedeihen,sie sind nicht das Produkt von Überlegungen.“ Das verstehe,wer will. Hier wird nicht nur mit dem so überaus wichtigen Intuitionsbe-18
griff Schindluder getrieben (darauf kommen wir noch), sondern das viereckigeRad erfunden. Wer zustimmendes oder ablehnendes Feedback alserzieherisches Steuerungsmittel einsetzt, kann dies schwerlich unüberlegtun. Immer wenn es um absichtliches oder unabsichtliches, gezieltesoder reflexhaftes, überlegtes oder unüberlegtes Handeln geht, verliertWinterhoff die Übersicht. Nun spricht er ja aber mit Vorliebe von „Training“.Und Training heißt laut Duden: planmäßige Durchführung einesProgramms von vielfältigen Übungen. Genau darum geht es ihm: um dasplanmäßige „Training der psychischen Reifeentwicklung“ zwecksHeranbildung einer „gesunden Psyche“. (Nirgends auch nur die Andeutungeines Versuchs, den Ausdruck „gesunde Psyche“ erkenntniskritischzu beleuchten.) „Übung macht den Meister“, schreibt er dennauch im ersten Buch und vergleicht Kindererziehung mit professionellemTennistraining. So, wie die junge Steffi Graf rangenommen werdenmusste, um ihren Aufschlag zu perfektionieren, gelte es (rein intuitiv natürlich)mit allen Kindern von klein an zu arbeiten, um die „Grundfunktionen“für wünschenswertes Sozialverhalten und optimale Arbeitsdisziplin„einzuschleifen“ (sic). Eine konkrete Anregung zur Methodik desEinschleifens gab Winterhoff am 21.5. 2008 in stern online: „Müttermüssen zur lebenden Schallplatte werden von morgens bisabends. Sonst werden die Nervenzellen nicht trainiert.“Lässt sich Moral eintrichtern?Wer Kinder zu erziehen hat, weiß, dass tadelnde Kommentare manchmal(leider) unvermeidlich sind. Bei inflationärem Gebrauch nutzen sie sichjedoch ab. Die Folge: Man muss immer heftiger tadeln, um eine Wirkungzu erzielen. Irgendwann reichen Worte, wie laut und wie drohend auchimmer, nicht mehr aus. Dann gilt: Wer nicht hören will, muss fühlen ...Es gibt eine Art von Ungehorsam, die wie physiologische Schwerhörigkeit anmutet,obwohl die Ohren besten funktionieren. Das Phänomen kann auf eineauditive Überempfindlichkeit (Hyperakusie), autistische Züge oder schwereseelische Belastungen hindeuten. Auch bei Kindern mit einer ausgeprägt intro-19
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Herbst 2009Studienkreis für Neue P
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Fabian, WolfgangFreier JournalistHe