selbständige Ausflüge! Was soll so falsch daran sein, Partner in ihnen zusehen? Partner, die selbstverständlich Führung brauchen (deshalb sindsie ja zu uns gekommen, das ist in der Tat die natürliche Rollenverteilung),aber doch keine permanente Bevormundung und Gängelung!Pädagogik heißt Führung des Kindes, nicht Formung des Kindes!Der mögliche Einwand, es sei unfair, den Partnerschaftsbegriff Emmi Piklersgegen Winterhoff in Stellung zu bringen, denn sie verwende das Wort in einemganz anderen Sinnzusammenhang als er, nämlich mit Hinblick auf dieBewegungsentwicklung im Säuglingsalter, verfängt nicht. Denn erstens sprichtPikler keineswegs nur von Säuglingen, sondern ganz allgemein von Kleinkindern,zweitens nicht nur von der Bewegungsentwicklung, sondern zum Beispielauch vom „freien Spiel“ als der „wahren Hochschule“ des Kleinkindes. Sieplädiert generell für möglichst große Zurückhaltung seitens der Erwachsenen.Eltern und Erzieher sollen sich abgewöhnen, ständig zu intervenieren, immerzuden Kindern etwas beibringen zu wollen, und stattdessen Achtsamkeitüben. Aus Piklers Sicht ist eine Pädagogik des „stetigen Trainings“ und „Einschleifens“erwünschter Verhaltensweisen, wie sie Winterhoff speziell für dasKleinkindalter fordert, völlig inakzeptabel.Kinder sind keine Objekte unserer wie auch immer gearteten Konditionierungsabsichten,sondern haben von Anfang an ein Recht darauf, alsernst zu nehmende Persönlichkeiten betrachtet und entsprechend behandeltzu werden. Daraus ziehen sie ganz von selbst die richtigenSchlüsse, nämlich dass es allgemein erstrebenswert ist, wenn Menschenrespektvoll miteinander umgehen. Oder nicht?Winterhoff ist da ganz anderer Meinung. Er behauptet, dass „diePersönlichkeitsentwicklung erst mit dem achten, neunten Lebensjahreinsetzt“ (klar, eine nicht vorhandene Persönlichkeit kannman auch nicht ernst nehmen) und reagiert geradezu allergisch auf dieAnnahme, irgendetwas an der kindlichen Psyche bilde sich „von selbst,quasi nebenbei“. Nun, „nebenbei“ entwickeln sich die entscheidendenSeelenfähigkeiten sicherlich nicht. Aber sehr wohl „von selbst“. Das Kindhöchstpersönlich führt den Prozess der psychosozialen Reifung. Eine Erziehung,die auf dem Prinzip der operanden Konditionierung beruht, er-48
schwert ihn. „Es gibt im Grunde genommen auf keiner Stufe eine andereErziehung als die Selbsterziehung. Jede Erziehung ist Selbsterziehung,und wir sind eigentlich als Erzieher und Lehrer nur die Umgebung dessich selbst erziehenden Kindes“ (Rudolf Steiner, Die pädagogische Praxisvom Gesichtspunkte geisteswissenschaftlicher Menschenerkenntnis.)Nicht nur für das Kleinstkindalter, auch für die Kindergarten- undSchuljahre gilt: Jedwede Form von „Bearbeitung“ der Psyche ist für dieEntwicklung sozialer Kompetenzen eher hinderlich als zuträglich. Denn„das Kind eignet sich (diese) durch imitatives Lernen an“ (Largo). Winterhoffwiderspricht. Er erklärt im zweiten Buch, mit dem „klassischenVorbildbegriff“ sei das, worauf es beim sozialen Lernen ankomme, unzutreffendbeschrieben. „Die positive Vorbildfunktion der Eltern,welche die Kinder zur Nachahmung auffordern soll, führt selbstnicht zu einer psychischen Reifeentwicklung.“ Entscheidend seivielmehr die „Spiegelung“, also jenes verhaltensbewertende Kommentieren.Er begründet das mit dem Argument, kleine Kinder nähmen ihreEltern noch gar nicht als Vorbilder wahr und hätten deshalb auch keinenImpuls, diese nachzuahmen. Dazu sei „ein gewisser Reifegrad erstVoraussetzung“. Und der wird laut Winterhoff erreicht, indem die primärenBezugspersonen – da haben wir’s wieder – geziemend „abgegrenzt“auftreten und zudem „wie lebende Schallplatten“ fortwährendmissbilligende oder zustimmende Sätze absondern. Auf diese Weiseentstehe im Kind nach und nach ein Gefühl für „richtig“ und „falsch“,hofft der Psychiater aus dem Rheinland. Erst dann könne auf den Nachahmungseffektgesetzt werden.Da fehlen einem vor Schreck erst mal die Worte. Belassen wir es hierbei zwei schüchternen Gegenfragen: Wie lernen kleine Kinder, sich aufzurichten?Wie lernen sie sprechen? Selbstverständlich durch Nachahmung.Am Vorbild der großen Leute. Die mitgebrachte Nachahmungsbereitschaftund -fähigkeit dient zunächst vor allem dem Erwerb basalerFertigkeiten (Aufrichteprozess, Bewegung, Sprache), erstreckt sich abervon Anfang an auch (und zunehmend stärker) auf soziale Verhaltensweisen.Die Übergänge sind fließend. Und weil man es gar nicht oft genugwiederholen kann: „Training“ ist dabei nicht nur nutzlos, sondern sogarhinderlich.49
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