nicht so weit her, erschließt sich aus dem Kontext nicht.) Zweitens greiftKinderhass um sich, weil wir drauf und dran sind, zu vergessen, dassKinder ein singulär wertvolles gesellschaftliches Gut darstellen. Wie sollman das nennen: Dialektik? Kuddelmuddel?Tatsache ist, dass Kinder zwar nicht unbedingt gehasst werden in unsererschönen neuen Welt, aber jegliches Gespür für ihre Bedürfnisseverloren zu gehen droht, was die hier zu besprechenden Bücher eindrucksvollbelegen.Höchstwahrscheinlich hatte Winterhoff, als er den heraufziehenden Kinderhassanprangerte, seinen Tadel der übertriebenen Kinderliebe schon wieder vergessen.Aber halten wir ihm mal zugute, er sei nur überfordert gewesen, Widersprüchezusammenzudenken, und habe eigentlich folgendes sagen wollen:Kinder sind unser höchstes Gut (eine Formulierung, nebenbei bemerkt, diekein moderner politischer Demagoge je ausließ), aber das darf uns nicht dazuverleiten, sie wie Heilige zu verehren. Dieser Fehler wurde jedoch in der Modernebegangen, mit absehbarem Ergebnis: Wer auf einen allzu hohen Sockelgestellt wird, stürzt umso tiefer, dann schlägt Anbetung in Hass um, und dieserProzess hat bereits begonnen. – Darüber könnte man diskutieren, wenngleichwir glauben, dass auch diese äußerst wohlwollende Interpretation desWinterhoff’schen Wirrwarrs keine zutreffende Zeitdiagnose wäre.Wenngleich Winterhoff allzu viel Kinderliebe für schädlich hält, räumt ergenerös ein, Kinder bräuchten „Zuwendung etwa in Form von altersgemäßemKörperkontakt beim Kuscheln (oder) Über-den-Kopf-Streichen“, denn dies begünstige „eine gesunde kognitiveEntwicklung (...) auf dem Weg zum fuktionstüchtigen Erwachsenen.“(Damit auch klar ist, welchen Zweck das Kuscheln verfolgt!)Doch heutzutage übertreibe man es maßlos mit den Streicheleinheiten,und das Resultat sei allenthalben zu besichtigen: lauter kleine Ungeheuer.Höchste Zeit, die Samthandschuhe auszuziehen und dem „Trainingvon Abläufen“ und „Setzen von Grenzen“ wieder höchste Prioritäteinzuräumen. Aber Vorsicht! Winterhoff hat die Angewohnheit, seine eigenenAussagen an anderen Textstellen bis zur Ungültigkeit zu relativieren,um dann wiederum die relativierte Fassung zu relativieren. Im zwei-6
ten Buch (Tyrannen müssen nicht sein) erfährt der zunehmend verwirrteLeser, nicht auf das Setzen von Grenzen komme es an, sondern darauf,„abgegrenzt (zu) sein“ und „sich abgegrenzt (zu) fühlen“, waseinen „großen Unterschied“ mache. Wir verstehen zwar nicht, warumsich das Setzen von Grenzen bei hinreichendem Abgegrenztheitsgefühlerübrigen soll, aber der Autor versteht es ja selber nicht, denn einigeKapitel später erklärt er dann wieder: „Beim Grenzensetzen handeltes sich um ein aktives Regeln des Kindes, welches als pädagogischeLeitlinie mit zunehmendem Alter eine immer größere Rollespielt.“ Deutlich wird in dem Durcheinander immerhin eines: Winterhoffplädiert für eine Erziehungshaltung der Regentschaft aus kühler Distanz.Seine Botschaft: Das angeblich den 68ern zuzuschreibende Projekt einerPädagogik in Liebe und Freiheit (also jenseits von Macht) ist gescheitert.„Die elterliche Aufgabe besteht vor allem darin (...), die Reifeentwicklungdes Nachwuchses voranzutreiben“, wobei „die Erfahrungeines Machtgefälles für beide Seiten gut ist.“ Anderenfallsnämlich kommt es zur „Machtumkehr“, und plötzlich herrschendie Kinder. Letzteres sei heute schon der Fall. Winterhoff will uns allenErnstes weismachen, wir lebten in einer Kinderdiktatur. („Nachwuchs.“„Machtgefälle.“ „Aktives Regeln des Kindes.“ „Reifeentwicklungvorantreiben.“ Ziel: „der funktionstüchtige Erwachsene“ ... Spracheist verräterisch.)Auch Bernhard Bueb, Internatsleiter im Ruhestand, Autor des BestsellersLob der Disziplin und des Nachfolgebandes Von der Pflicht zu führen,denkt, wenn er an Kinder denkt, krampfhaft an Macht, Obrigkeit,Gehorsam etc. Kostprobe aus dem zweiten Band: „Der Lohn dafür,dass einer sich der Führung eines Mächtigeren anvertraut undbereit ist, dessen Willen zu erfüllen, muss der Schutz sein, dender Mächtige bietet. (...) Das (daraus resultierende) Gefühl vonSicherheit steigert die Arbeitskraft.“ Da haben wir ihn wieder: denfunktionstüchtigen Erwachsenen. Die Denkfigur Steigerung der Arbeitskraftdurch Schutzgarantien (Kehrseite: Wir entziehen dir unserenSchutz, wenn du nicht mehr funktionierst) gehört zu den ersten Lektionender Psychologie der Macht im Kapitalismus. Ansonsten will Bueb mitden zitierten Sätzen auf eine „anthropologische Eigenheit“ hinwei-7
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aucht, bis es tut, was er verlangt.
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ähnlich wie die gegenseitige Über
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Nach einer aktuellen bundesweiten S
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Gleichzeitig sank die Bereitschaft,
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● Und natürlich: Leistung, Leist
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klasse litten unter psychiatrisch r
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immer wieder abverlangt werden, dam
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Fabian, WolfgangFreier JournalistHe