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Welt im Wandel: Herausforderung für die deutsche Wissenschaft ...

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80 B 3 Deutsche Forschung zum Globalen <strong>Wandel</strong><br />

Ordnungspolitische Implikationen<br />

Bisher weitgehend vernachlässigt wurden <strong>die</strong> ordnungspolitischen<br />

Implikationen des Nachhaltigkeitspostulats<br />

(achte Grundfrage). Die Fragen, ob das<br />

Nachhaltigkeitspostulat bzw. seine Interpretationen<br />

mit der Marktwirtschaft vereinbar sind, <strong>die</strong> Marktwirtschaft<br />

überhaupt zu einer stärkeren Langfristorientierung<br />

bzw. expliziten Berücksichtigung ökologischer<br />

Belange gebracht werden bzw. mit welchem<br />

Instrumentarium das ökologische Anliegen möglichst<br />

marktwirtschaftskonform erreicht werden<br />

kann, wurden bislang nur am Rande behandelt<br />

(Rentz, 1994; Brenck, 1992). Erst neuerdings mehren<br />

sich Untersuchungen, <strong>die</strong> auch <strong>die</strong>sen Fragen nachgehen<br />

(Gerken und Renner, 1995; RWI, 1995; IAW,<br />

1995, IÖW, 1995, ZEW, 1995). Unverkennbar ist dabei,<br />

daß <strong>die</strong> ökologisch und verteilungspolitisch begründete<br />

Forderung nach Effizienz- und Suffizienzrevolution,<br />

wie sie in manchen Interpretationen des<br />

Nachhaltigkeitsanliegens auftritt, dem Staat eine erhebliche<br />

Lenkungsaufgabe überträgt.Wird <strong>die</strong>se z.B.<br />

über eine stetig steigende Energie- und Ressourcenbesteuerung<br />

realisiert (Görres et al., 1994; DIW,<br />

1994), so werden <strong>die</strong> Marktpreise zunehmend staatsbest<strong>im</strong>mt,<br />

womit möglicherweise eine schleichende<br />

Transformation des Wirtschaftssystems verbunden<br />

ist.<br />

Inwieweit <strong>die</strong> bisher vorliegenden Konzepte einer<br />

öko-sozialen Marktwirtschaft dem Nachhaltigkeitspostulat<br />

genügen und gleichzeitig systemkonform<br />

sind, bedarf dringend der weiteren Forschung. Hierbei<br />

müssen neuere Forschungsergebnisse der „Evolutorischen<br />

Umweltökonomik“ bzw. der „Neuen Politischen<br />

Ökonomie“ berücksichtigt werden. Marktund<br />

Politikversagen müssen gegeneinander abgewogen<br />

werden. In allen Fällen geht es um <strong>die</strong> Frage, wie<br />

eine längerfristige Orientierung der einzelwirtschaftlichen<br />

Entscheidungen <strong>im</strong> Rahmen der Marktwirtschaft<br />

bzw. der Entscheidungen politischer Akteure<br />

<strong>im</strong> Rahmen demokratischer Abst<strong>im</strong>mungsprozesse<br />

erreicht werden kann. Eine wünschenswerte Entwicklung<br />

wäre, wenn es gelänge, <strong>die</strong> Konsumenten<br />

zur Umwelt- und Langfristorientierung zu bewegen<br />

und über <strong>die</strong> damit verbundene Zahlungsbereitschaft<br />

eine Ökologisierung der Wirtschaft in Gang zu<br />

bringen. In Verbindung damit stehen Fragen, <strong>die</strong> das<br />

Verhältnis von Freihandel und Umweltschutz oder<br />

<strong>die</strong> Forderung nach Erhalt bzw. Steigerung der nationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit betreffen (siehe Kap.<br />

B 3.6.4.2).<br />

Soziale und ökonomische D<strong>im</strong>ension<br />

In engem Zusammenhang mit <strong>die</strong>sen ordnungspolitischen<br />

Grundfragen und dem unten erörterten<br />

Indikatorproblem steht <strong>die</strong> Frage, inwieweit das<br />

Nachhaltigkeitspostualt um eine soziale und ökono-<br />

mische D<strong>im</strong>ension (neunte Grundfrage) erweitert<br />

werden muß. Verfolgt man <strong>die</strong> neuere Diskussion in<br />

Deutschland, insbesondere jene innerhalb der Enquete-Kommission<br />

„Schutz des Menschen und der<br />

Umwelt“ des Deutschen Bundestags (Enquete-<br />

Kommission, 1994) sowie <strong>die</strong> ordnungspolitischen<br />

Ansätze (Gerken und Renner, 1995; RWI, 1995; IAW,<br />

1995, IÖW, 1995; ZEW, 1995), so läßt sich eine Tendenz<br />

<strong>für</strong> eine Erweiterung feststellen. Dabei wird oft<br />

vom „Drei-Säulen-Modell“ gesprochen. Das Operationalisierungsproblem<br />

des Nachhaltigkeitspostulats<br />

verschärft sich damit, da Begriffe wie Ökonomieverträglichkeit<br />

ebenfalls vielfältige Interpretationen zulassen<br />

(Klemmer, 1994). Gleichzeitig entsteht <strong>die</strong><br />

Frage, in welchem Verhältnis Ökologie-, Sozial- und<br />

Ökonomieverträglichkeit zueinander stehen. Der<br />

Beirat hat in seiner zum Berliner Kl<strong>im</strong>agipfel vorgetragenen<br />

Stellungnahme Ansätze zur Verknüpfung<br />

von ökologischen und ökonomischen Überlegungen<br />

zur Best<strong>im</strong>mung von nachhaltigen Handlungsspielräumen<br />

vorgelegt, wobei deutlich wurde, daß <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Wirtschafts- und Sozialwissenschaften noch wichtiger<br />

Forschungsbedarf besteht (WBGU, 1995).<br />

Indikatoren<br />

Die Indikatorforschung (zehnte Grundfrage)<br />

steckt noch in den Anfängen. Das zeigt sich nicht zuletzt<br />

bei den zahlreichen Versuchen, Indikatorsysteme<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Praxis aufzustellen, <strong>die</strong> nicht zuletzt durch<br />

<strong>die</strong> AGENDA 21 und <strong>die</strong> Arbeit der CSD (Commission<br />

on Sustainable Development) angestoßen wurden.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Versuchen wurden zahlreiche konzeptionelle<br />

Lücken offenbar. Insofern wird auch hier<br />

noch erheblicher Forschungsbedarf sichtbar. Mehr<br />

wissen sollte man über<br />

– Möglichkeiten der Best<strong>im</strong>mung konkreter quantitativer<br />

Zielvorgaben <strong>für</strong> <strong>die</strong> Umwelt- und<br />

Ressourcennutzung. Wichtig erscheint hierbei <strong>die</strong><br />

Frage, inwieweit sich „objektive“ Mindeststandards<br />

als „Bedingungen“ <strong>für</strong> Nachhaltigkeit ableiten<br />

lassen. In <strong>die</strong>sem Fall könnte man Nachhaltigkeit<br />

über einen Korridor, der durch Mindeststandards,<br />

<strong>die</strong> den Charakter von „Leitplanken“ haben,<br />

festlegen (siehe Kap. C 2.1.2).<br />

– Methoden zur Ermittlung der Vermeidungskosten<br />

und zum Entwurf praktikabler und aussagefähiger<br />

Öko-Sozialprodukt-Konzepte.<br />

– <strong>die</strong> Anwendungsmöglichkeit und den Aussagegehalt<br />

langfristiger Abweichungsindikatoren, wobei<br />

das Nachhaltigkeitspostulat langfristige Erhaltungsziele<br />

als normative Referenzen voraussetzt.<br />

– <strong>die</strong> Entwicklung nicht-monetärer Aggregationsverfahren<br />

(insbesondere <strong>die</strong> Eignung des Ratesto-goals-Ansatzes<br />

<strong>für</strong> Abweichungsindikatoren).

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