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Eva Justin

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Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder 11<br />

setzung erheblich voneinander unterscheiden. Daß sich auch die Kinder<br />

dieser einzelnen Stämme in ihren Reaktionen und ihrer späteren Anpassungsfähigkeit<br />

nicht gleichen, wird einleuchten, wenn man weiß,<br />

daß auch die „zigeunerisch" lebenden Sippen unterschiedliche Fähigkeiten<br />

in bezug auf ihre soziale Eingliederung in das deutsche Volk<br />

bekunden. Eine spätere Arbeit soll diese ungleiche Artung, die sich<br />

auch bei Erziehungsversuchen zeigte, herausarbeiten.<br />

Zur Untersuchung gerade der in Württemberg lebenden Zigeuner<br />

entschloß ich mich aus zweierlei Gründen. Einmal gehören sie zu dem<br />

großen Stamm der inländischen seit Jahrhunderten in Deutschland<br />

lebenden Zigeuner, den „Sinte", und haben unter diesen wohl am ausgeprägtesten<br />

ihre urtümliche Lebensweise erhalten — trotz großer<br />

staatlicher Bemühungen, sie davon abzubringen. Noch gegenwärtig<br />

gibt es in Württemberg über 1000 Zigeuner, die durch die Kriegsmaßnahmen<br />

wohl an feste Arbeitsplätze gebunden werden — aber doch<br />

heimatlos sind. Im Sommer werden sie meist zur Zufriedenheit ihrer<br />

Arbeitgeber beim Straßenbau verwandt, aber im Winter haben sie<br />

nirgendwo ein Wohnrecht. Ein Dorf schiebt sie dem anderen zu. Bis<br />

zu Beginn des Krieges lebten sie eben in ihren Zelten und Wohnwagen<br />

und zogen von Ort zu Ort.<br />

Zum anderen bestimmte mich meine gute Kenntnis der württembergischen<br />

Zigeunerverhältnisse der letzten 1 % Jahrhunderte zu der<br />

Wahl. Ich habe am meisten dort gearbeitet und kenne wohl alle einschlägigen<br />

vorzüglich erhaltenen Akten für den genannten Zeitraum,<br />

sodaß ich die Erbgeschichte des württembergischen Zigeunerstammes<br />

durch 10 Generationen lückenlos übersehe.<br />

Die Frage, ob das hier hauptsächlich vorgelegte Material ü ber die<br />

letzten 50 Jahre nicht doch eine negative Auslese darstelle, liegt nahe,<br />

und ich habe sie mir am Anfang auch selbst oft gestellt. Natürlicherweise<br />

wird man über mißratene Zöglinge zuerst einmal leichter etwas<br />

erfahren als über gute oder unauffällige, von deren Existenz man vielleicht<br />

überhaupt nichts weiß.<br />

Dazu ist zu sagen: Die Grundlage meiner Arbeit ist die Genealogie.<br />

Mit ganz geringen Ausnahmen konnte ich alle gemeldeten Zigeunerkinder<br />

auf unseren Sippentafeln bereits eingezeichnet finden — wenn<br />

die Identifizierung auch oft aus den oben dargelegten Gründen sehr<br />

schwierig war. Das heißt, daß diese trotz ihres Ausscheidens aus dem

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