Eva Justin
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16 <strong>Justin</strong><br />
ziehungsplans hegten. Die Musik ausgenommen war es unmöglich, seine<br />
Intelligenz irgendwie zu einer geregelten Thätigkeit anzuhalten. Er hatte<br />
für Alles was er nicht wußte die unüberwindlichste Geringschätzung und war,<br />
ohne es einzugestehen, gründlich von seiner Ueberlegenheit über Alles, was<br />
ihn umgab durchdrungen. Er hatte an Nichts Geschmack und interessierte<br />
sich als ein ächter Wilder nur für seine Vergnügungen, seine Geige, seine<br />
Musik.<br />
Als Graf Teleky ihn uns in seinem ungarischen Zigeunerkostüm übergeben<br />
hatte, war er noch mit seiner angestammten Geige versehen. Auf<br />
dem so gut es eben ging zusammen geleimten und mit eher zum Erhängen als<br />
Spielen tauglichen Saiten bezognen Brettchen musicirte er schon damals mit<br />
einem merkwürdigen Aplomb und unvergleichlichen Feuer, die klingendsten<br />
Frischkas. Es fehlte ihm nicht an Leichtigkeit, er spielte sehr gern und konnte<br />
Stunden damit verbringen halb nach dem Gehör, halb improvisirend zu<br />
streichen und mischte dabei nur sehr unwillig Motive ein wie sie unter uns<br />
im Schwang waren. Diese kamen ihm meist fad und läppisch vor. Nur liir<br />
eine Melodie, welche er manchmal von uns auf dem Piano gehört hatte, war<br />
er sehr eingenommen und regalirte sein Publikum damit, indem er sie in seiner<br />
Weise auf eine so drollige Art herausstaffirte, daß er nie verfehlte, einen vollständigen<br />
Erfolg der allgemeinsten Heiterkeit zu erringen. Sobald er aber zu<br />
studiren angefangen, bewies er eine Unfolgsamkeit, mit der nicht auszukommen<br />
war. Niemand konnte ihn überreden, daß seine gewohnten Manövers nicht<br />
unendlich viel schöner seien als Alles, was man ihm beibringen möchte und<br />
er lebte der innersten Ueberzeugung, daß er ein Opfer barbarischen Zwanges<br />
sei, so oft sein Lehrer nur im geringsten Miene machte, sich nicht von ihm<br />
belehren zu lassen.<br />
Es konnte nicht ausbleiben, daß man uns bald schrieb: Josy werde größer,<br />
aber er ändre sich nicht, mache keine Fortschritte und es sei unmöglich,<br />
etwas mit ihm aufzustellen. Unsre Partheilichkeit wollte dennoch in den Zickzackbriefen,<br />
die er uns übersandte und die ganz den Stempel orientalischer<br />
Emphase an sich trugen, einen Beweis seines Fleißes bemerken. Um ihn eher<br />
wieder zu sehen, ließen wir ihn uns entgegen nach Straßburg kommen. Im<br />
Augenblick, wo wir dort anlangten, dachten wir gar nicht an ihn. Als wir<br />
aber den Wagen verließen, fühlten wir plötzlich die torturartigsten Händedrücke<br />
und wurden unter den Umarmungen eines jungen Unbekannten fast<br />
erstickt. Es kostete uns einige Augenblicke Besinnen, um unsren kleinen Cygan<br />
der Steppen, den jungen Wildfang, in diesem nach Pariser Mode elegant<br />
gekleideten jungen Gentleman wieder zu erkennen. Nur die gekrümmte Nase,<br />
die asiatischen Augen und der, trotz allen Gelen und Cosmetiques von Frankreich,<br />
dunkle Teint Jozsy's waren dieselben geblieben. Und sein Selbstbewußtsein<br />
auch! denn als wir ihm überrascht zuriefen: „Ei, Jozsy! Du siehst ja aus<br />
wie ein junger Herr!" antwortete er ganz unverdutzt und mit der Miene eines<br />
Hidalgo: „Ich bin ja auch einer!" Er bewahrte im neuen Anzug seinen<br />
üppigen Redestyl und die Grandezza seiner Geberden. Fortan wurde es<br />
uns schwer, länger die Täuschung zu hegen, diese zähe Zigeunernatur in den